Analyse: Historische Reform
■ Rot-grüne Bundesregierung und ihre Vorschläge zu Homogemeinschaften
Wie im Koalitionsvertrag versprochen, wird die rot- grüne Regierung noch vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf zur Regelung homosexueller Partnerschaften vorlegen. Darin steht Altbekanntes. Lebensgemeinschaften von zwei Männern oder zwei Frauen werden der Ehe nicht gleichgestellt; auch ein Adoptionsrecht bleibt ausgeschlossen. Aber dieses Gesetz schützt Homopaare erstmals davor, beim Miet- oder Erbrecht diskriminiert zu werden.
Kommt erwartungsgemäß der Entwurf aus dem Hause der Justizministerin Herta Däubler-Gmelin demnächst zur parlamentarischen Beratung, werden die real existierenden Teile der Homobewegung enttäuscht sein. Denn eine Gleichstellung von schwulen oder lesbischen Paaren wird das Gesetz nicht enthalten. Ganz traditionell bleibt – dem herrschendem Verständnis gemäß – die (heterosexuelle) Ehe unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Auch das Recht, Kinder ohne Eltern qua Adoption in Obhut zu nehmen, wird Homosexuellen verwehrt bleiben.
Insofern wird die Reform, gemessen an radikalen Wünschen aus dem grünen oder alternativen Lager, ein Reförmchen bleiben. Trotzdem verdienen die Änderungen, sie historisch zu nennen. Denn bislang gab es vor dem Gesetz homosexuelle Partnerschaft gar nicht. Wenn überhaupt, existierten zwei Männer oder Frauen in einer Wohnung – aber nicht als Paar. Folgen hatten diese Lebensweisen nicht. Weder vor dem Zugriff der Familie in puncto Erbrecht noch vor den Zumutungen, wenn die LebensgefährtInnen ihre PartnerInnen im Krankenhaus nicht ohne Erlaubnis der Blutsverwandten besuchen durften.
Was die Koalitionäre mit dieser Reform versuchen, ist nichts weniger, als einem gesellschaftlichen Furor zu entgehen, der sich ähnlich seit Wochen an der Frage der doppelten Staatsbürgerschaft entzündet. JedeR mag sich selbst ausmalen, was die volle Gleichstellung von Homo- und Heterosexuellen vor dem Standesbeamten bedeuten würde: Wahlkampfmaterial der Union, um die Ängste konservativer BürgerInnen auszuschlachten. Vermieden werden soll auch eine Verfassungsklage der Union, die anders als bei der Einbürgerung von inländischen Ausländern vermutlich in Karlsruhe Erfolg hätte. Man könnte den Weg der rot-grünen Regierung auch opportunistisch nennen, also als vorgebliche Angst vor dem politischen Gegner. Tatsächlich aber sind Forderungen nach Gleichstellung von Schwulen und Lesben und ihrer Lebensgemeinschaften längst noch nicht mehrheitsfähig. Die avisierte Reform ist geeignet, für eine gesellschaftliche Mehrheit zu werben. Erst so scheint möglich, daß christliche Proteste als sektiererisch erscheinen. Die Schritte dorthin scheinen sorgfältig vorbereitet zu sein. Jan Feddersen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen