Vier Wochen Arbeit

Zwei Sitzungstage mehr in der Bürgerschaft sollen kein Imageproblem überdecken  ■ Von Eberhard Spohd

Lehrer, so wird immer vermutet, hätten die größte Anzahl von Urlaubstagen pro Jahr. Rund 13 Wochen, munkelt man an Stammtischen, müßten sie sich vom Arbeitsplatz Schule fernhalten. Studierende, so glauben Übelmeinende, könnten aufgrund der Länge der vorlesungsfreien Zeit fünf Monate Ferien machen und lägen damit an der Spitze der Faulheitsstatistik. Weit gefehlt. Eine spezielle Gruppe in der Hansestadt hatte im vergangenen Jahr gerade einmal 27 Arbeitstage: Die Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft.

„Stimmt doch gar nicht“, mag jetzt der eine oder die andere Abgeordnete verstimmt zu Protokoll geben, „wer so etwas behauptet, fördert gewissenlos die Politikverdrossenheit.“ Mit dem Job im quasi ehrenamtlichen Feierabendparlament sei es noch lange nicht getan. Fraktionssitzungen, Ausschüsse, Beratungen, Gremien, Lobbyismus, Wahlkampfveranstaltungen, WählerInnenpflege und abendliche Repräsentationsaufgaben („Ein Imbiß wird gereicht“) fordern weit darüber hinaus Zeit. Außerdem gingen sie ja meist noch ihrem Beruf nach – außer Hans-Detlef Roock (CDU), der im Bürgerschaftshandbuch angibt: „Zur Zeit ausgeübter Beruf: Abgeordneter“. Alles wahr und richtig.

Aber dennoch hat das Stadtparlament ein Imageproblem. 27 Tage Sitzung hört sich nach zuwenig an. Die Lösung dafür liegt auf der Hand: Im Jahr 1999 wird die Verweildauer im Rathaus um zwei Tage aufgestockt: Heute ist der erste von 29 Sitzungstagen in diesem Jahr. Das sind zwar immer noch weniger als der Urlaubsanspruch eines durchschnittlichen Arbeitnehmers, aber vielleicht ein Schritt in die richtige Richtung.

„Das hat gar nichts damit zu tun“, verweist Norbert Wilhelm aufmüpfige Vermutungen in die Schranken. Der Leiter des Plenardienstes der Bürgerschaft weiß Bescheid, warum in diesem Jahr mehr gesessen wird: „Das hat der Ältestenrat so festgelegt.“ Aber nicht etwa apodiktisch, sondern nach Konsultation von Kalendern und Ferientabellen. „Das hat sich einfach durch die Lage der Freizeiten terminlich so ergeben“, erläutert Wilhelm das Vorgehen, und um dem Wort „Freizeiten“ den Ruch der faulen Haut zu nehmen, führt er weiter aus: „Damit sind die Ferientermine und die Feiertage in der Woche gemeint.“ Aber auch in Wahljahren könne es vorkommen, daß weniger häufig getagt würde.

Also ist die geradezu biblische Vermehrung von Sitzungstagen kein Werbegag und keine Marketingstrategie. Der Ältestenrat hat entschieden, der Fall ist beendet. Stellt sich nur noch eine Frage: Woher weiß denn das Senioritätsgremium schon im voraus, über wieviele Anträge im folgenden Jahr entschieden werden muß?