Aufruf zur Landesbildungssparkasse

■ Bildungskonten sollen die Unilaufbahn der Kinder retten. Sybille Volkholz präsentierte Konzept

Die Bremer Grünen bleiben sich treu – wie vor der Bundestagswahl profiliert sich die Partei jetzt auch im Vorfeld des Bremer Urnengangs vor allem als Moderatorin für politische Braintrusts. „Bildungsgutscheine“ – eine neue Idee zur Finanzierung des Bildungssystems – war das nicht gerade populistische Thema einer Diskussionsveranstaltung, zu der Bremens grüner Bildungspolitiker Helmut Zachau am Montag in die Aula der Gesamtschule Mitte geladen hatte.

Und erstaunt war vor allem die Hauptreferentin Sybille Volkholz, Grüne, Single und einstige Berliner Bildungssenatorin, die hier ihre heißumstrittenen Thesen für eine Bildungsfinanzierung auf privateren Füßen vorstellte: „In Berlin sitze ich damit vor zehn Leutchen.“ In Bremen saß ihr die vorderste Reihe des Publikums quasi auf dem Schoß. Die Aula war gerammelt voll mit jeder Menge Prominenz und Basis aus Bremens Bildungsszene – und die zeigte sich zudem noch erstaunlich zahm angesichts der heißen Vorschläge von Frau Volkholz. „Die Schere zwischen privatem Reichtum und öffentlicher Armut ist weit geöffnet“, unterstützte Ludwig Voet, Elternsprecher am Schulzentrum Findorff, die Bildungspolitikerin in ihrer Analyse. Und auch in der Konsequenz war man sich im Grunde einig: „Um die Schere im Bildungsbereich ein wenig zu schließen, braucht es ein Steuerungsmodell – vor allem aber private Gelder!“

Seit Oktober letzten Jahres liegen dazu Vorschläge auf dem Tisch – ausgebreitet vom 13köpfigen Sachverständigenrat Bildung in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, zu dem neben Volkholz auch der einstige GEW-Vorsitzende Dieter Wunder und die Uni-Profs Eva Bamberg, Klaus Klemm und Jürgen Lüthje gehören. Ihr Rat: Die Einführung von Bildungskonten und Bildungsgutscheinen zur privaten Mitfinanzierung der gymnasialen Oberstufe und des Studiums. Konkret: Jedes Kind bekommt ein Bildungskonto, auf das die Eltern (beispielsweise) 50 Mark im Monat einzahlen. Von Geburt an und bis zum zehnten Schuljahr. Das Ganze soll eher als eine Bank, denn als ein bürokratischer Apparat funktionieren, betonte Sybille Volkholz: „Wieso wird Bausparen eigentlich steuerbegünstigt, wenn doch Bildung viel wichtiger ist?!“ Warum also nicht die Gründung einer Landesbildungssparkasse, steuerbegünstigt durch den Staat. Ab der 11. Klasse wird dann ausgeschüttet: einen Teil des Geldes kriegt die Schule oder Uni, den anderen Teil der junge Erwachsene fürs Überleben. Und wo es nicht reicht, greifen Stipendien und Darlehen.

Huh! Das ist die Verabschiedung des Staates aus seiner Verantwortung, Neoliberalismus pur, reagierte die GEW nach der Erstlektüre des Papieres ziemlich angefaßt auf die Ratschläge ihrer ehrenamtlichen Sachverständigen. Jetzt in Bremen riskierte nur noch der einstige GEW-Sprecher Heiko Gosch so große Worte; der ohrenspitzende Lehrer-Personalrat hingegen hielt sich vornehm zurück und auch die zum Co-Referat angereiste GEW-Vorsitzende Eva-Maria Stange verteilte mehr Lob als Tadel. Große Anerkennung vor allem für den Analyse-Teil des Gutachtens: „Ich kenne nichts Ausführlicheres.“

In seiner Lagebeschreibung setzt der Bildungsrat ganz auf Realismus: Mehr Geld vom Staat wird es künftig nicht geben, „auch nicht von den Grünen“ – mehr Bedarf nach Bildung aber gibt es schon. Das Geld dafür aber ist nicht beim Staat zu kriegen. Also muß umverteilt werden: Zwischen Öffentlichkeit und Einzelhaushalten, aber auch zwischen Grundschulen und Universitäten und den konkurrierenden Bildungseinrichtungen. Denn der gewerkschaftliche Bildungsrat mußte überrascht feststellen: Ausbildungen (zur AltenpflegerIn, PhysiotherapeutIn, KosmetikerIn, usw.), die in Deutschland längst aus eigener, sprich: Elterntasche gezahlt werden, stehen im Verhältnis von fast 1 : 4 zum Uniabschluß. 138.000 Magister und Diplomanden produzierte das Schuljahr 1995/96 – im gleichen Zeitraum gab es immerhin 32.000 Abschlüsse an privaten Schulen. Von Gerechtigkeit also keine Spur.

Doch vor allem muß weiterhin zwischen den gesellschaftlichen Schichten umverteilt werden. Auf daß die Hochschulabschlüsse von Arbeiterkindern endlich nicht mehr bei zehn Prozent herumdümpeln. Diese krasse „Verteilungsungerechtigkeit“ aber, sagen die Statistik und Frau Volkholz, läßt sich durch die Investition von noch mehr Staatsknete in den gemeinen Hochschüler kaum abwenden. Die Selektion nämlich findet viel früher statt: In den Kitas, den Grundschulen, spätestens in der Sekundarstufe I. Hier muß Geld rein. Geld, das vielleicht mit Hilfe der Bildungskonten von den Hochschulen in die Elementarbereiche umgeschichtet werden könnte. ritz