Wider den Macherethos

Machtkonzentration an Unis geht zu weit, meint Ex-Senator  ■ H.W. Franke

Kein einsichtiger Genosse kann es leugnen. Wir waren damals wirklich zu weit hinausgerudert auf das Meer der Hochschulfreiheit und mußten uns gewaltig in die Riemen legen, um wieder an Land zu kommen. Ich gebe schlaflose Nächte zu, voller Angst, die Universität könnte im Chaotenstrudel versinken. Drittelparität, Projektstudium, Praxisbezug, sozialwissenschaftliches Grundstudium waren seinerzeit zwar Schlagworte, die jedoch eine sehr konkrete Sehnsucht ausdrückten: die autoritäre und reaktionäre deutsche Ordinarienuniversität, die die deutsche Katastrophe ungebrochen überdauert hatte, sollte in Bremen mit einer gleichsam revolutionären Neugründung überwunden werden. Die freie Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden sollte gesellschaftsoffen dafür sorgen, daß nicht mehr privilegiensüchtige Machteliten mit zynischer Verachtung für das gemeine Volk an die Schalthebel gelangten, sondern Universitäten und Hochschulen sich endlich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewußt wurden und für die neue Demokratie eine neue Elite hervorbrachten.

Wir haben uns gewaltig verhoben, als wir glaubten, ein neues Ethos reiche aus, eine neue Art von Wissenschaftsbetrieb zu begründen. Die jäh hochschießenden Probleme der Massenuniversität und die gewaltigen Restaurationskräfte nicht nur in der deutschen Hochschullandschaft, aber gerade auch dort, haben zusammen mit dem, was ich zu jener Zeit den bremischen wissenschaftlichen Dünnschiß nannte, die Universität Bremen schnell innerhalb der scientific comunity ins Abseits gebracht. Die Aufnahme in die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), das Gütesiegel für eine deutsche Universität, wurde uns erst gewährt, nachdem der Staat mit Brachialgewalt eine Umsteuerung geleistet hatte. Eine Weile stand die Universität sozusagen unter dem Kuratel des Wissenschaftssenators. Dessen häufig praktiziertes Oktroi ihm den Vorwurf einbrachte, letztlich ein Agent der Reaktion zu sein. Selbst der heute mit Recht so hochgelobte Rektor Timm, wurde damals nicht durch Gremienwahl, sondern durch staatliches Oktroi eingesetzt. Schließlich war die Universität zu Verhaltensweisen gebracht worden, die im Wissenschaftsbetrieb der Bundesrepublik als normal gelten.

Daß die deutsche Hochschulreform inzwischen auf der Strecke geblieben ist, beklagt ein wachsender Teil seriöser Hochschullehrer, und selbst die Bremer Reformansätze werden von manchem wehmütig betrachtet. Da ist es schon mehr als verwunderlich, wenn Bremen, der Reformpionier von einst, nun ohne Zwang an die Spitze der hochschulpolitischen Reaktion strebt. Das Regime der Manager tritt in der Bundesrepublik an die Stelle der Reformatoren. So wie die Krise der Massendemokratie dazu führt, daß demokratische Entscheidungsstrukturen sich als ineffizient erweisen und ein neuer politischer Managertyp die Macht jenseits aller parlamentarischen Kontrollen übernimmt, soll die steckengebliebene Hochschulreform durch die Herrschaft einzelner ersetzt werden. Gelobt ist, was Effizienz verspricht. Beratergruppen, die sich am Wirtschaftsmanagement orientieren, empfehlen allerorten die Machtkonzentration bei Einzelnen. „Alle Macht den Rektoren“ ist die neue Losung der Hochschulpolitik.

In Bremen setzt ein politisch schwaches Wissenschaftsressort vor dem Hintergrund einer hochschulpolitisch genauso schwachen SPD-Fraktion und einer politisch weitgehend abstinenten SPD ganz auf den neuen Trend. Das neue Hochschulgesetz ist die endgültige hochschulpolitische Bankrotterklärung der Bremer SPD. Die Macher hinter den Kulissen haben das Sagen. Hochschulen dürfen aber nicht nur rein funktional betrachtet werden. Sie leisten immer noch die qualifizierteste Ausbildung in unserer Gesellschaft und bringen die kommenden Eliten hervor. Was soll aus uns werden, wenn wir alles dem Macherethos ausliefern? Aber wer sollte dem in Bremen wehren? Die grauen Eminenzen werden auch hier das letzte Wort behalten. Was denkst Du Dir, liebe Bringfriede, bei dem Ganzen?

Der Autor war zwischen 1975 und 1990 SPD-Wissenschaftssenator in Bremen