Kommentar
: Kluger Schachzug

■ Michael Blumenthal und das Holocaust-Mahnmal

Es gehört zu den eher seltenen Erfahrungen politischer Kultur, zum richtigen Zeitpunkt den rechten Griff zu tun. Dazu zählen Fortune, Durchblick und die besagte Manpower. Dem Staatssekretär für Kultur, Michael Naumann, ist dies geglückt, als er an Silvester in New York bei Peter Eisenman „wie zufällig“ Michael Blumenthal, den Direktor des Jüdischen Museums, getroffen hat. Wer es geschafft hat, mag sich Naumann gedacht haben, das Museum aus der Zwickmühle finanzieller und struktureller Streitigkeiten herauszuführen, kann zur Lösung der eigenen Unzulänglichkeiten in Sachen Holocaust-Mahnmal nicht schlecht sein.

Blumenthal als möglichen Leiter des Holocaust-Dokumentationszentrums zu gewinnen, kann man getrost als Glücksgriff bezeichnen. Der weltläufige Moderator schwieriger Erinnerungsthematik befreit zum einen Naumann selbst von dessen zahlreichen Unzulänglichkeiten und unklugen Vorschlägen, mit denen dieser sich in Sachen Holocaust-Mahnmal mehr als einmal in die Nesseln gesetzt hat. Zum anderen könnte es mit der Figur Blumenthal gelingen, den riskanten Spagat zwischen Mahnmal und Gedenkstätte zu meistern, schafft es doch Blumenthal, scheinbar unüberbrückbare Gegensätze miteinander zu versöhnen, ohne das anvisierte Ziel aus den Augen zu verlieren.

Sicher, mit diesem Schachzug machen es Naumann, Eisenman und Blumenthal dem Bundestag nicht unbedingt einfacher, eine Entscheidung zu treffen. Das Vorpreschen riecht nach Präjudizierung. Aber ist das so schlimm? Wohl kaum. Zehn Jahre wurde über das Mahnmal debattiert, zwei Wettbewerbe hat man veranstaltet und unzählige Kolloquien abgehalten. Und daß sich in Berlin jemand abzeichnet, der aus der Gemengelage von Jüdischem Museum, Holocaust-Mahmal, Topographie des Terrors und Wannsee- Villa herausführt, ist Illusion.

Blumenthal und Eisenman sind alte Bekannte aus ihrer gemeinsamen Zeit an der Universität in New Jersey. Beide sind schlaue Füchse, und eine gemeinsame Planung an einem Denkmal sowie einem „Haus der Erinnerung“ kann niemand besser. Das mag sich Naumann auch gedacht haben. Rolf Lautenschläger

Berichte Seite 2 und 20