Staatsschutz jagt Schafschänder

■ Wegen eines Titelbilds der linken Szenezeitschrift "Interim", auf der der ehemalige Innensenator Jörg Schönbohm als "Schafsodomist" bezeichnet wurde, wollte der Staatsschutz vier Wohnungen durchsuchen lasse

Es will und will nicht klappen. Ein knappes Jahr, nachdem das letzte große Ermittlungsverfahren gegen die angeblichen Hersteller der linken Szenezeitschrift Interim eingestellt worden war, hat es der Berliner Staatsschutz erneut versucht. In einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft vom 28. September 1998, das der taz vorliegt, legte die Abteilung 5122 des Landeskriminalamtes der Justiz nahe, die Wohnungen von vier Personen durchsuchen zu lassen. Drei von ihnen, hieß es zur Begründung, seien in dem „als Schwerpunktwohnobjekt der linksextremistischen Szene geltenden Objekt“ Reichenberger Straße 63a in Kreuzberg wohnhaft. Die Reichenberger Straße war eines von 13 Objekten, das die Polizei bei ihrer bisher größten Razzia gegen die Interim am 12. Juni 1997 durchsucht hatte.

Die Staatsanwaltschaft ließ den Staatsschutz allerdings abblitzen. Im Antwortschreiben vom 5.Oktober heißt es: „Die Tatsache, daß bestimmte Personen der linken Szene zuzurechnen sind und sich in einem entsprechenden Wohnumfeld aufhalten, rechtfertigt nicht die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen sie.“

Konkreter Anlaß des neuerlichen Kriminalisierungsversuchs war die laufende Nummer 457 der seit zehn Jahren erscheindenen Wochenzeitschrift. Auf dem Titelblatt ist eine Fotomontage abgebildet, auf der der damalige Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) in eindeutig sexueller Handlung mit einem Schaf zu sehen ist. Titel der Nummer: „Schönbohm ist ein Schafsodomist“.

Für den Staatsschutz und insbesondere dessen als Interim-Jäger bekannten Mitarbeiter Koch war das Anlaß genug, erneut gegen die Zeitschrift zu Felde zu ziehen. Zwar lehnte die Generalbundesanwaltschaft den Anfangsverdacht der „strafbaren verfassungsfeindlichen Verunglimpfung eines Verfassungsorgans“ ab. Doch auch mit dem weitaus minderen Tatbestand der Beleidigung glaubte Koch, eine neuerliche Durchsuchungsaktion rechtfertigen zu können.

Vor lauter Ermittlungseifer sind dem Staatsschutz dabei allerdings wieder einmal sämtliche Bezüge zur Realität verlorengegangen. So lautet der Vorwurf gegen zwei der Beschuldigten, sie seien anläßlich der letztjährigen Revolutionären 1.-Mai-Demonstration „betroffen“ worden, „wie sie ein Transparent mit der Aufschrift ,Schönbohm hat noch nie Schafe gefickt‘ mit sich führten“. Einem anderen wird vorgeworfen, er sei kurz nach dem Erscheinen der inkriminierten Ausgabe von der Reichenberger Straße 63a nach Friedrichshain verzogen.

Ein Umzug als Grund für ein Schuldeingeständnis? Das war wohl auch der Staatsanwaltschaft zu viel – oder besser: zu wenig.

Ohnehin hätte den Berliner Staatsschützern auffallen können, daß Schönbohms angebliche Sodomie urheberrechtlich gar nicht auf die linke Szenezeitschrift zurückgeht, sondern auf die Spaßguerilla der „Kreuzberger Patriotischen Demokraten/Realistisches Zentrum“ (KPD/RZ), die bei den Kommunalwahlen 1995 mit 4,9 Prozent in Kreuzberg knapp scheiterten. Diese hatte nämlich erstmals ein Transparent mit der Aufschrift „Schönbohm abartiger Schafsodomist! Rassenschande, KPD/RZ“ über die Kreuzberger Oranienstraße gespannt.

Hinzu kommt, daß sich die Redaktion der Interim ohnehin in der Folgenummer 458 für den Abdruck des Titels entschuldigt hatte. Weil sich das vorgesehene Titelbild kurzfristig nicht auffinden ließ, hieß es politisch korrekt, habe man in unverzeihlicher Weise einfach auf das nächste greifbare Plakat zurückgegriffen, ohne sich Gedanken über den Inhalt zu machen. taz