■ Soundcheck
: Misia / Keith Sweat

Heute abend: Mísia. Als der Fado im Lissabon des 19. Jahrhunderts erfunden wurde, gab es in den Arbeitervierteln eine ganze Menge schlechte Träume. Nicht allein die verflossene Geliebte, auch der Lebensstandard gab Anlaß zu Fatalismus. Heute sieht das anders aus, weshalb Mísia neue Texte und Arrangements fürs alte Leid benutzt – und vor allem in ihrer Heimat hoch geschätzt wird.

20 Uhr, Musikhalle

Gehört: Keith Sweat. Der Mann wußte ganz genau, wie er den Swing Beat zu arrangieren hatte, als er ihn über die Bretter der Großen Freiheit schickte: Hinten suggerierte eine vielköpfige Backband zumindest einen kleinen Grad an Live-Echtheit, obwohl die Masse der Musiker wohl nur per Knopfdruck zu Leben kam. Aber geschenkt! Links stand die stimmkräftige Duettpartnerin, die dreimal am Abend ihr reichhaltiges Liebesleben mit lauten Oohhs! und Yeeaahs! unterstrich, und drüber, drunter, durch gaben drei taufrische Tanzfrauen Work-Out-Einlagen für Vollprofis zum Besten.

Funk live ist wie eine Turneinheit, auch wenn er, dann als Bal-lade getarnt, doch bloß ins Bett locken soll. Und daß ein Keith Sweat sein Metier aus dem Effeff beherrscht, ließ der Hamburg-Debütant seine vielen Fans von Beginn an spüren. Keine Zeit für Zwischentöne, da wurde herumgesext und Schweiß von nassen Rücken geleckt. Immer voll auf die Zwölf in Sachen Lust und Libido.

Okay, die Schmusesongs waren genauso mies wie einst bei Blackstreet, und ein zweiter Freddie Jackson ist an Keith Sweat auch nicht verlorengegangen. Dafür aber – und nur das zählt – war sein Konzert das knalligste Funk-Ereignis in Hamburg der letzten fünf Jahre. Ehrenwort!

Oliver Rohlf