Deutschtümelei mit Doppelpaß

Debatte über neues Staatsangehörigkeitsrecht in der Bürgerschaft: Rot-Grün attackiert CDU. Die hat selbst eine doppelte Abgeordnete  ■ Von Elke Spanner

Die CDU-Abgeordnete Antje Blumenthal rang sich ein mattes Lächeln ab. Doch richtig witzig schien sie es nicht zu finden, als GALierin Christa Goetsch von der Bütt der Bürgerschaft herunter persönlich wurde: „Ich frage Sie, Frau Blumenthal, was haben Sie zum Beispiel mit einer Hamburger Hip-Hoperin gemeinsam?“ Die Antwort blieb die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende schuldig – worauf Goetsch seufzend nachsetzte: „Welche Kulturen sind denn nun genehm?“ Denn jüngst habe einer ihrer Parteifreunde in der Debatte um das Staatsbürgerschaftsrecht unverblümt gesagt: „Wir wollen keine anderen Lebensformen, keine fremden Kulturen.“

Hitzig ging es zu in der gestrigen aktuellen Stunde der Hamburger Bürgerschaft. Die zum Teil heftig geführte und von Zwischenrufen begleitete Debatte über die Neufassung des Staatsbürgerschaftsrechts fand unter den Augen und Ohren vieler „ausländischer MitbürgerInnen“ auf der Besuchertribüne statt.

Während der CDU-Abgeordnete Johannes Mertens vor lauter Aufgebrachtheit einem Kreislaufkollaps nahe schien, wirkte sein Fraktionschef Ole von Beust demonstrativ gelangweilt, bis er selber reden durfte. Doch nicht ein Wort über die Unterschriften-Kampagne der CDU brachte er über die Lippen – von der er sich vor einigen Tagen distanziert hatte, und die von GAL und SPD zuvor mehrfach als Angstkampagne gescholten worden war. Statt dessen drehte von Beust den Spieß um und höhnte, die rot-grüne Bundesregierung sei den Beweis schuldig geblieben, daß ein zweiter Paß für Ausländer mehr Integration schaffen würde.

SPD-Fraktionschef und Geschichtslehrer Holger Christier wies darauf hin, daß das geltende Staatsangehörigkeitsrecht aus der Kaiserzeit „in zentralen Teilen nicht mehr den gesellschaftlichen Verhältnissen unserer Zeit“ entspreche. Der CDU warf er angesichts ihrer Unterschriftensammlung einen „deutschtümelnden Mißgriff“ vor.

Die Union habe offenbar „Angst, daß die Türken vor Harburg stehen“, unterstellte GALierin Christa Goetsch. Ginge es um die doppelte Staatsangehörigkeit von Franzosen oder Schweden, wäre bei der Opposition keine Aufregung zu spüren. Ihr Beispiel: Den französisch-deutschen Alt-Sponti Daniel Cohn-Bendit würden alle als bundesrepublikanischen Kandidaten bei den französischen Grünen interessant finden. Stimmt nicht, hielt der CDU-Abgeordnete Johannes Mertens dagegegen: „Den wollen wir hier gar nicht haben.“

Vielleicht weiß er ja nicht, wer in seiner eigenen Fraktion eine Heimstatt gefunden hat. Eine CDU-Abgeordnete, die lieber ungenannt bleiben will, besitzt die deutsche und die Staatsangehörigkeit eines mittelamerikanischen Landes. Trotzdem sei sie gegen den Doppel-Paß, betonte sie gestern gegenüber der taz: Das andere Land „entläßt mich leider nicht aus seiner Staatsangehörigkeit.“