Stengel mit „ä“?!

■ Diskussion über Rechtschreibreform im Schulzentrum Huckelriede. Doch die Schüler haben andere Sorgen. Ihre Schule wird geschlossen.

„Stoppt die Rechtsschreibreform“ steht auf dem Transparent hinter dem Podium. Doch die Schüler des Schulzentrums Huckelriede haben andere Sorgen. Das scheint Moderator Christian Konreder von der Jungen Union zu spüren. „Wir wollen nicht, daß dieses Schulzentrum geschlossen wird“, ruft er. Tosender Applaus. Am Montag hat Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) den Schülern gesagt, daß ihre Schule geschlossen werden soll. Zwei Tage nach der bitteren Nachricht saßen sich gestern Petra Ahrens von der Bürgerinitiative „Wir gegen die Rechtschreibreform“ und der Bürgerschaftsabgeordnete Klaus Bürger (CDU) im Schulzentrum Huckelriede gegenüber. Ein Flugblatt wird herumgereicht: „Demo – Donnerstag von neun bis elf Uhr vor der Bildungsbehörde“ steht darauf. Noch haben die Schüler die Hoffnung nicht aufgegeben.

„Ich bin einfache Hausfrau, habe zwei Söhne und arbeite als Schreibkraft in einem Anwaltsbüro. Ich lese viel und mache gerne Kreuzworträtsel“, stellt sich Petra Ahrens vor. Klaus Bürger ist an der Reihe. „Ich bin Lehrer. Früher war ich Leiter einer Orientierungsstufe...“ „Ist die auch geschlossen worden?“ ruft ein Schüler dazwischen.

Auf dem Fußboden liegen blaue Zettel mit der Aufschrift: „Keine Schließung vom SZ Huckelriede.“ „Nein, die ist nicht geschlossen worden“, sagt Bürger trocken. „Wer von Euch ist gegen die Rechtschreibreform“, will Ahrens wissen. Die Arme der rund 200 Schüler fliegen hoch. Nur fünf sind für die Reform. 40 Milliarden Mark würde die Rechtschreibreform kosten, sagt Ahrens. „Da wird das Geld rausgeschleudert, aber Schulen werden geschlossen.“ Die Schüler klatschen. Die Zahl „sei aus der Luft gegriffen“, kontert Bürger. Die Reform würde höchstens vier bis fünf Milliarden Mark kosten. Die große Koalition in Bremen habe 100 Millionen Mark in die Sanierung von Schulen gesteckt. Pfiffe.

„Tee-nager – das Wort ist für mich der Hammer“, kommt Ahrens zum Thema. „Das ist eine völlig neue Spezie, Teenager als Nager!“ Sprache müsse sich langsam entwickeln und dürfe nicht von oben herab verordnet werden. „Nur 0,5 Prozent der Wörter ändern sich“, entgegnet Bürger. Die Rechtschreibreform sei eine Erleichterung. Jeder, der sich damit befaßt habe, wisse das. Ahrens wirft mit dem Overhead-Projektor Beispiele für die neuen Trennregeln an die Wand: „RUMA-ROMA (Rum-Aroma)“, „Grippee- pideemie (Grippe-Epedemie), alla-bendlich (allabendlich), Uro-ma (Ur-Oma). „Das sind die extremsten Beispiele“, wettert Bürger. „Es ist unredlich, nur extreme Beispiele zu wählen.“ Ein Schüler steht auf und geht nach vorn ans Podium. „Sagen Sie mal“, fragt er Bürger. „Wen soll ich jetzt eigentlich wählen?“ Einen Moment ist es still im Saal. Auch die CDU hat für die Schulschließung gestimmt. „Ich kann doch Stengel nicht mit „ä“ schreiben“, sagt der Junge. kes