Versteifte Positionen verhinderten einen Dialog

■ 400 BremerInnen verfolgten Kirchendebatte über Fremdenangst und Menschenrechte

Debatten über Fremdenangst und Ausländerfeindlichkeit bieten meist Anlaß zum Streit. Den gibt es zuverlässig, wenn der Bremer CDU-Innensenator und die Bundesausländerbeauftragte Marieluise Beck zur gemeinsamen Diskussion antreten – wie am Dienstag abend in der ehrwürdigen Liebfrauenkirche, wohin die Bremische Evangelische Kirche zum „Stadtgespräch“ mit dem Thema „Fremdenangst und Menschenrechte“ geladen hatte. Zuletzt waren Beck und Borttscheller nach dem letzten TV-Duell über die geplante Hinnahme der Doppelstaatlichkeit unversöhnlich auseinandergegangen – nachdem der Innensenator der stoiberschen Sichtweise beigepflichtet hatte, daß Doppelstaatlichkeit ein Sicherheitsrisiko vergleichbar dem des RAF-Terrorismus sei (die taz berichtete). Beck dagegen hatte ihm vorgeworfen, damit der Ausländerfeindlichkeit Vorschub zu leisten.

Daß am Dienstag abend beim „Stadtgespräch“ in der vollbesetzten Kirche dennoch gelacht wurde, lag vor allem an den Diskussionsbeiträgen von „ausländischen“ ZuhörerInnen. Anders als die RednerInnen auf dem Podium, die Integrationshindernisse vor allem strukturell in Massenarbeitslosigkeit (Henning Scherf, SPD), fehlenden Einwanderungsregelungen (Rechtsanwältin Renate Blöhbaum, Ausländerbeauftragte Marieluise Beck, Grüne) oder mangelnder Integrationsbereitschaft seitens der Migranten (Ralf Borttscheller, CDU) sahen, benannte das anwesende internationale Publikum vor allem konkrete Diskriminierungserfahrungen.

Ihre kurzen Berichte machten zugleich deutlich, was die geplante erleichterte Einbürgerung und auch die Doppelstaatlichkeit sicher bringt: Selbstbewußtsein. Er habe einem deutschen Rivalen, der seiner Frau jüngst „schöne Äuglein“ machte, seinen deutschen Paß unter die Nase gehalten, schilderte der deutsche Türke. „Es ging um meine Ehre.“ Eine deutsche Ehre. Der Mann erntete Applaus und Lachen, ebenso wie die deutsche Polin mit dem afrikanischen und dem iranischen Schwiegersohn, die mit „Fremden“ vor allem „Neugier und Bereicherung“ verbindet.

Überhaupt, das Thema „Fremdenangst“ blieb am Dienstag abend eine Marginalie. Statt dessen wurde der bekannte politische Richtungsstreit um die doppelte Staatsbürgerschaft fortgesetzt – wie es kurz vor dem (gestrigen) Auftakt zur CDU-Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft auch zu erwarten war. Der vom nordelbischen Bischof Ludwig Kohlwage angemahnte fällige Dialog – „auch über berechtigte Zweifel am derzeitigen Asylverfahren, weshalb wir am Kirchenasyl festhalten“ – blieb aus. Statt dessen wurden Positionen verfestigt und rhetorisch bisweilen derart verbrämt, daß Moderator Theo Schlüter schließlich bei Bürgermeister Hartmut Perschau (CDU) nachfragte: „Habe ich Sie richtig verstanden, sind Sie für ein geregeltes Einwanderungsverfahren?“

Nein nein, stellte Perschau eilig klar. Man müsse die jetzige Integrationsqualität verbessern – „aber nicht per Doppelstaatlichkeit“. Diese nämlich werde eine „Sogwirkung“ auf den Nachzug von Familienangehörigen ausüben. Im Dienste der Integration müsse sie verhindert werden. Dafür sei die CDU-Unterschriftenaktion notwendig.

„Sie setzen hier als Wolf im Schafspelz die gezielte Desinformationskampagne der CDU fort“, platzte daraufhin Marielusie Beck. „Die Einbürgerung wird nur unwesentlich zu Zuzug führen.“ Auch gehöre es zur Stimmungsmache der CDU, nur von der Zuwanderung von rund 300.000 Personen zu sprechen – „ohne die Abwanderungszahlen zu nennen, die mit rund 400.000 Personen jährlich höher liegen.“

„Untergründig ausländerfeindliche Stimmung“ bis in die Tiefen des Asylrechts, das über die Drittstaatenregelung doch vor allem signalisiert, „ihr gehört hier gar nicht her“, hatte zuvor auch Bischof Kohlwage ausgemacht. Doch Asylrecht und Kirchenasyl blieben an diesem Abend Randthemen. Statt dessen lief der Wahlkampf. „Die Unterschriftenaktion ist doch nicht von diesen beiden hier“, nahm Bürgermeister Scherf loyal seine CDU-Koalitionskollegen in Schutz. „Die wollen doch vor allem die CSU-Initiative, wie soll ich sagen, zivilisieren.“ Doch die doppelte Staatsbürgerschaft werde sicher kommen. Allerdings: Zuzugsregelungen seien nur auf europäischer Ebene machbar. ede