„Solange die OSZE im Kosovo steht, braucht Milošević nichts zu fürchten“

■ Der Bosnien-Beauftragte der Bundesregierung, Hans Koschnik, über internationale Handlungsmöglichkeiten und Friedensperspektiven im Kosovo

taz: Wie bewerten Sie die Ausweisung des Chefs der OSZE-Mission, Walker, aus dem Kosovo?

Hans Koschnik: Das ist eines der üblichen Spiele von Milošević. Er versucht eben immer wieder, Grenzbereiche auszuloten und zu sehen, inwieweit er die internationale Staatengemeinschaft dazu zwingen kann, seinen Weg mitzugehen. Wir haben diese Spiele im Bosnien-Krieg genauso erlebt. Und immer wieder sind Regierungen innerhalb wie außerhalb Europas auf diese Art von Spielchen reingefallen. Was die jetzige Situation im Kosovo angeht, ist klar, daß Milošević gar nicht will, daß die OSZE rausgeht. Denn solange die Organisation dort mit Beobachtern steht, braucht er einen Nato- Angriff nicht zu befürchten.

Die Nato verlegt sich wieder auf Drohgebärden. Würde denn ein Angriff, sollte er erfolgen, überhaupt etwas bewirken?

Allein mit Luftangriffen wird keine wesentlichen Veränderung in Belgrad einsetzen. Das könnte nur ein deutliches Warnzeichen sein: Dies ist der Anfang der Gegengewalt, und wenn ihr jetzt nicht aufhört, werden wir noch massiver werden. Aus der Luft, mit Bomben, löst man keine Probleme.

Außenminister Joschka Fischer hat sich erneut gegen einen Militäreinsatz ausgesprochen.

Zu Recht. Zuerst sollten alle anderen Möglichkeiten, die vorhanden sind, voll genutzt werden.

Wo sehen Sie die noch?

Lösungen zu einer Befriedung auf dem Balkan, nicht als freundschaftliches Miteinander, aber doch als ein gesittetes Nebeneinander werden nur dann erreicht, wenn man auch die Bedürfnisse der verschiedenen Bevölkerungsgruppen mit beachtet. Die Serben brauchen Hilfe beim Wiederaufbau ihrer zerstörten Wirtschaft. Die konkrete Frage ist: Können wir nicht um des Friedens willen im Kosovo, aber auch in Serbien versuchen, ihnen bei der Lösung ihrer ökonomischen Probleme zu helfen – unter der Grundvoraussetzung, daß vorher die Kampfhandlungen eingestellt werden und ernsthafte Friedensverhandlungen aufgenommen sind? Geld statt Soldaten zur Verfügung zu stellen ist immer noch vernünftiger.

Die Parallelen zu Bosnien sind unübersehbar. Setzt sich der Prozeß der Schwächung von Organisationen wie UNO und OSZE im Kosovo fort?

Diese Schwächung ist da. Jedoch kann die Perspektive der Zukunft nicht sein, daß wir in regionalen Blöcken die Welt in Ordnung bringen wollen. Vielmehr müssen wir versuchen, die Gesamtlösungen der Weltgemeinschaft zu übertragen. Aber das ist bislang nur eine Hoffnung. Seit den Jugoslawien-Konflikten, aber auch den Konflikten in Afrika wissen wir, daß die konkrete Machtstruktur der Nato unzureichend ist. Und solange im Sicherheitsrat kein Willen da ist, einen ständigen Eingreifverband für die UNO aufzubauen, bleibt es dabei. Abgeleitete Macht ist für die UNO unzureichend, da hilft nichts. Und dann werden die Großen, die über eigene Macht verfügen, ihren Weg gehen. Das haben die Amerikaner bewiesen, das beweisen Chinesen und Russen, und gelegentlich sind auch wir Europäer auf dem gleichen Felde. Interview: Barbara Oertel