Die Kleine Wanze expandiert weiter

■ Die Saatgutfirma KWS will ihre gut laufenden Geschäfte durch Gentechnik sichern – auch auf ihrem Hauptmarkt, den Zuckerrüben

Berlin (taz) – Sie hat ihren lustigen Namen abgelegt, weil es weltweit zu Komplikationen gekommen war, die KWS Saat AG. Bis zum vergangenen Jahr hieß die 135 Jahre alte Firma aus Einbeck „Kleinwanzlebener Saatgut AG vormals Rabbethge und Giesecke“. Das entwickelte sich aber zu einem echten Geschäftshindernis bei der mit Nachdruck betriebenen internationalen Expansion. Schließlich ist KWS eine der bedeutendsten Saatgutfirmen weltweit und beherrscht vor allem das Geschäft mit Zuckerrüben. Also wurde der Herkunftsort in der Magdeburger Börde aus dem Firmennamen gestrichen.

Gestern stieg in Einbeck die Hauptversammlung der „Kleinen Wanze“, wie sie in Branchenkreisen genannt wird. Die Aktionärsfamilien Büchting, Giesecke und Oetker wie auch die anderen Großaktionäre stimmten die anwesenden kritischen Aktionäre nieder. Die warfen der KWS vor, sie dränge die Landwirte zur Gentechnik, obwohl sie von der Mehrzahl der Verbraucher abgelehnt werde. Neben diesem Intermezzo sonnte sich die Geschäftsführung in einem Jahresüberschuß von 36,3 Millionen Mark im Geschäftsjahr 1997/98. Und der Umsatz der gesamten KWS- Gruppe steigerte sich innerhalb eines Jahres um zwölf Prozent auf 662,8 Millionen Mark.

Den Hauptumsatz macht die KWS mit Saatgut für Zuckerrüben. Rund 50 Prozent werden in diesem Sektor eingenommen. Schon um die Jahrhundertwende war die KWS weltweit der Marktführer für Zuckerrüben. Ein Viertel des Weltbedarfs an Zuckerrüben wurden von der KWS geliefert. Im niedersächsischen Einbeck, dem heutigen Sitz der Unternehmensgruppe, siedelte sich die KWS erst nach dem Zweiten Weltkrieg an. Heute ist die KWS mit seinen zahlreichen Tochter- und Beteiligungsgesellschaften auf allen wichtigen Weltmärkten vertreten.

Die Nachkommen der Gründerfamilien besitzen nur noch einen Anteil von circa 30 Prozent an dem Unternehmen. Zwanzig Prozent der Aktien hält die Familie Arent Oetker. Mit fast 25 Prozent ist Europas größter Zuckererzeuger beteiligt, die Südzucker AG. Und zwölf Prozent hält die Hoechst-Schering-Tochter AgrEvo. Ihre Schwerpunkte hat das Unternehmen nach eigenen Angaben in den USA, Europa und Fernost. Als neues Absatzgebiet sind in den letzten Jahren die ehemaligen Ostblockstaaten hinzugekommen.

Vor vier Jahren kehrte die KWS mit einer Firmenbeteiligung dann auch wieder in das größte Zuckerrübenanbaugebiet der Welt zurück: in die Ukraine. Hier hatte die KWS bis zur Oktoberrevolution 1918 eine eigene Niederlassung. Inzwischen steuern die Osteuropa- Geschäfte schon wieder über zehn Prozent am Gesamtumsatz der KWS-Gruppe bei.

Wie alle anderen großen Saatgutunternehmen setzt auch die KWS auf Gentech- Pflanzen. In der Entwicklung und zum Teil schon produktreif sind unter anderem Zuckerrüben, die gegen einen Virus resistent sein sollen, Raps mit einer veränderten Zusammensetzung des Fettsäuremusters, Kartoffeln mit veränderter Stärkezusammensetzung und herbizidresistente Zuckerrüben. Die Zuckerrüben, die gegen das Herbizid Basta der Hoechst-Schering-Tochter AgrEvo resistent sind, werden zur Zeit schon vom Sortenamt in Hannover für die Marktzulassung geprüft. Erwartet wird, daß die Gentech-Rüben frühestens im Jahr 2001 im Handel sind. Wolfgang Löhr