Bürokratie hemmt Investitionen

Trotz der desolaten Wirtschaftslage leistet sich der Berliner Senat den Luxus, ansiedlungswillige Unternehmen von Pontius zu Pilatus zu schicken  ■ Von Karen Wientgen

Michael Konrad ist verärgert. Der Einkaufschef des Berliner Unternehmens Niles, das vor 100 Jahren an der Spree gegründet wurde und mit 107 Mitarbeitern Präzisionswerkzeugmaschinen herstellt, sucht einen neuen Standort in der Stadt. Anfang 1998 hatte sich die Firma deswegen an den Senat gewandt. Fast ein Jahr verstrich, bis der Senat dem Unternehmen schließlich ein landeseigenes Grundstück anbot. Doch die Konditionen waren für das Unternehmen nicht akzeptabel.

Nun droht Niles, ins Umland abzuwandern, sollte es nicht bald zu einer Lösung kommen. Damit würden Berlin Investitionen in Höhe von 20 Millionen Mark entgehen.

Ein Verlust, den sich die Stadt angesichts der desolaten Wirtschaftslage eigentlich nicht leisten kann. Es mangelt an Unternehmen, vor allem Industriebetriebe sind rar gesät. Nicht umsonst hat sich Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (CDU) auf die Fahnen geschrieben, mehr Unternehmen nach Berlin zu locken. Doch gleichzeitig hemmt der Senat Investitionen durch zuviel Bürokratie und zuwenig Flexibilität. Zu viele Senatsverwaltungen mischen bei der Vergabe öffentlicher Grundstücke mit, kritisiert Barbro Dreher, die Sprecherin von Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD). Die Folge: Die Unternehmen werden von Pontius zu Pilatus geschickt, bis zu anderthalb Jahre können vergehen, bis die Papiere unterschriftsreif sind. „Der Behördendschungel ist undurchsichtig“, schimpft auch Klaus-Peter Hinz, Pressesprecher der Deutschen Binnenreederei.

Das Problem ist, daß bei Grundstücksgeschäften mit dem Berliner Senat bis zu vier Senatsverwaltungen ihre Finger im Spiel haben. Von Fall zu Fall sind auch die Bezirke, die Senatskanzlei, der Denkmalschutz und die Wirtschaftsförderung Berlin GmbH involviert.

Die Wirtschaftssenatsverwaltung prüft, ob ein Unternehmen förderwürdig ist. Die Finanzverwaltung entscheidet über die Verkaufsform – öffentliche Ausschreibung oder direkter Verkauf. Die Bausenatsverwaltung wiederum muß ein aktuelles Gutachten über den Verkehrswert des Grundstückes erstellen, der über den Verkaufspreis entscheidet. Zu guter Letzt prüft die Verwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz, ob die Baupläne ins Stadtbild passen.

Dem Unternehmen Niles wurde vom Senat – nach fast einem Jahr Bearbeitungszeit – Ende letzten Jahres schließlich ein „baureifes“ Grundstück angeboten. Untersuchungen des Unternehmens ergaben jedoch, daß das Bauland keineswegs in baufertigem Zustand war, sondern Altlasten aufweist. Trotzdem war die Senatsverwaltung für Finanzen nicht bereit, den Kaufpreis entsprechend zu mindern. Der Senat signalisierte jedoch bei einem Treffen mit dem Unternehmen am vergangenen Mittwoch Entgegenkommen. Andere Punkte des Vertrages aber sind nach Angaben des Einkaufschefs von Niles nach wie vor inakzeptabel.

Über die zögerliche Vergabe öffentlicher Grundstücke ist es nun zu einem Streit im Berliner Senat gekommen. Wirtschaftssenator Wolfang Branoner hat die Finanzsenatorin Fugmann-Heesing offen kritisiert. Er macht ihre Verwaltung für die schleppende Bearbeitung von Grundstücksanfragen von 40 Unternehmen verantwortlich. Es handelt sich dabei sowohl um auswärtige Firmen als auch um Berliner Betriebe, die innerhalb der Stadt einen neuen Standort suchen. Daran hängen nach Angaben der Wirtschaftsverwaltung insgesamt 1.700 Mitarbeiter und Investitionen von 217 Millionen Mark.

Der Sprecher der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Michael Wehran, wirft der Behörde der Finanzsenatorin eine zu starke Fixierung auf die Haushaltskonsolidierung und eine Vernachlässigung der Schaffung neuer Arbeitsplätze und künftiger Steuereinnahmen vor. Außerdem beklagt Wehran einen Mangel an Flexibilität bei der Finanzverwaltung. „Pauschal werden Grundstücke zum reinen Verkehrswert verkauft“, so der Sprecher. Oftmals sei der eigentliche Wert jedoch wegen mindernder Altslasten niedriger anzusetzen. Außerdem würde in vielen Fällen dem Wunsch von Unternehmen nach kleineren Grundstücken nicht nachgekommen, weil kein Geld für die Parzellierung größerer Grundstücke ausgegeben werde.

Die Senatsverwaltung für Finanzen weist die Vorwürfe scharf zurück. „Wir halten das Verhalten von Herrn Branoner für unverantwortlich“, sagte Sprecherin Barbro Dreher. Der Wirtschaftssenator müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, „den Standort kaputtzureden“. Oftmals liege es auch an der Wirtschaftsverwaltung, daß der Verkauf landeseigener Grundstücke an Unternehmen schleppend vorangehe, kritisiert die Sprecherin. CDU-Wirtschaftssenator und SPD-Finanzsenatorin schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu.

Der Senat hofft, daß die Unübersichtlichkeit bei der Grundstücksvergabe bald ein Ende hat. Ab Mitte des Jahres sollen Unternehmen nur noch einen Ansprechpartner haben. Dann nämlich nimmt der Liegenschaftsfonds seine Arbeit auf, in dem mehrere tausend Grundstücke zusammengefaßt sind, die nicht mehr für landeseigene Aufgaben benötigt werden. In nur drei Monaten sollen dann Investoren eine Entscheidung bekommen, verspricht die Finanzverwaltung.