Zwischen den Rillen
: HipHop-Variante des „Wachturm“

■ Achtung Weltuntergang: Busta Rhymes und Method Man hegen Millenniumsangst

Nirgendwo auf der Welt wird so sehr der Verschwörungstheorie gefrönt wie in den Vereinigten Staaten. UFOs, die UNO, die Regierung, das FBI, der kubanische Geheimdienst – alle stecken irgendwie unter einer Decke. Wo es um Verschwörungen, ominöse Ankündigungen und Prophezeiungen geht, ist HipHop natürlich dabei. Denn wenn in diversen Hollywood-Filmen die Erde von Asteroiden, Umweltkatastrophen, Monstern oder Außerirdischen heimgesucht wird, will die Musikindustrie natürlich nicht zurückstehen.

In vorderster Front steht Busta Rhymes. Seit er solo geht, zählt er die noch verbleibenden Tage und wird nicht müde zu warnen: Das Millennium nähert sich mit unaufhaltsamer Geschwindigkeit, und der Weltuntergang steht vor der Tür. Doch je näher das nächste Silvester heranrückt, desto umtriebiger wird er. Das letzte Album ist gerade mal ein Jahr alt, im Sommer kam noch die Platte seiner Gruppe Flipmode Squad heraus, und Gastraps legt er auch überall ab, wo ein Fischaugen- Objektiv an der Decke des Videoclip-Sets hängt.

Busta Rhymes erklärtes Ziel ist world domination. Und um die HipHop-Welt zu dominieren, muß er als erstes an dem bisherigen König des Genres vorbei: Puff Daddy. Um dessen Stück mit Jimmy Page zu toppen, hat er sich Ozzy Osbourne ins Studio geholt, um mit seinem Brother im Geiste noch einmal den Black-Sabbath-Klassiker „Iron Man“ zu intonieren.

Doch so brillant die drei oder vier Stücke sind, die demnächst als Singles ausgekoppelt werden dürften, so sehr hier jenseits all dessen, was im Augenblick sonst an HipHop produziert wird, Pop-Appeal und Straße zusammengepackt werden, streckenweise kommt „Extinction Level Event – The Final World Front“ daher wie eine HipHop-Variante des Wachturm. Achtung: Weltuntergang, Bomben, Pech und Schwefel stehen vor der Tür, und ob ihr öffnet oder nicht, sie werden kommen. Glaubt an die Flipmode Squad und ihr habt eine kleine Chance zu entkommen. Das mag ein Überbleibsel aus Bustas jungen Jahren sein, als er noch mit der Gruppe Leaders Of The New School politisches Bewußtsein schaffen wollte und den Five Percentern nahestand, einer religiösen Splittergruppe, so etwas wie den Zeugen Jehovas des HipHop. Doch wie dieser Weltuntergang aussehen soll, ob sich tatsächlich die Berge öffnen und die Meere kommen oder ob nur das eine oder andere Handy ausfällt, bleibt genausowenig definiert, wie was danach passieren wird. Nur die Flipmode Squad wird es danach immer noch geben – wahrscheinlich immer noch als die HipHop-Gruppe mit dem schlechtesten Klamottengeschmack seit Erfindung des Plattenspielers. Doch edle Klamotten werden Busta Rhymes und seine Jungs ja gar nicht brauchen, wenn sie „from the underground up“ wieder alles aufbauen. HipHop ist einfach so groß geworden, daß Busta Rhymes ihn jetzt plakativ untergehen läßt. Mit der Kraft der Zerstörung in der Rolle der schöpferischen Kraft.

Ob es nun Busta Rhymes Weltuntergangsgetöse ist oder der Wu-Tang-Clan, der sich in Schwärme von Killerbienen hineinimaginiert – HipHop zieht viel von seiner Kraft daraus, den Machtpol, von dem die afro-amerikanischen Bewohner der heruntergekommenen Innenstadtbezirke abgetrennt sind, auf einer ästhetischen Ebene neu zu entwerfen und ihn dann mit den entsprechenden Befugnissen auszustatten. Ob es nun so opulente Inszenierungen sind wie bei Busta Rhymes, der sich in einem Videoclip als politischer Führer in einer Fake-Eisenstein-Ästhetik filmen läßt, oder wie bei Method Man, wo es ein paar Ebenen vertrashter im B-Movie-Hongkong-Style zugeht, der Held auf einem Thron sitzt, während Feuerstürme durch die Straßem toben.

Daß Method Man, der Superstar aus Shaolin Island, dabei ist, wenn es die Millennium- Ängst zu schüren gilt, dürfte niemanden ernsthaft überraschen. Der Titel des Irren vom Dienst im Wu-Tang-Clan gebührt zwar Ol'Dirty Bastard, doch die Ehre, die zweite Runde der Wu-Tang-Solo-Alben zu beginnen, kommt Method Man zu. Nachdem jedes Mitglied des Clans sich seine flüssigen Lyrikschwerter einmal vergolden durfte, geht es mit Method Mans „Tical 2000 – Judgement Day“ jetzt von vorne los.

Doch soviel Neues hat Method Man nicht zu vermelden. Auch er hat jetzt die Größe, die Welt glaubwürdig untergehen zu lassen, schließlich hat er mittlerweile morgens nicht nur seine Kumpels, sondern auch Donald Trump auf seinem Anrufbeantworter, doch ansonsten bleibt das meiste beim alten. Der restliche Clan ist auf der Platte zu Gast, nicht mehr alle Stücke sind von RZA produziert, der Wu-Tang-Clan schient jetzt mehrere Produktionsteams zu haben, doch es tönt, wie es dort schon immer tönte. Die fetten Beats hängen leicht neben der Spur und alle möglichen Geräusche laufen mit. Statt des Grammy-gekrönten Duetts mit Mary J. Blige von der letzten Platte, hat sich Method Man nun den Soulsänger D'Angelo ins Studio geholt. Einen Grammy wird es dafür nicht geben. Tobias Rapp

Busta Rhymes: Extinction Level Event: The Final World Front (Eastwest)

Method Man: Tical 2000: Judgement Day (Def Jam/Mercury)