Ein Silberdildo im Jeff-Stryker-Maß

■ Memorabilien vor Fototapete: Mit „Nobody is perfect“ zeigt das Schwule Museum Filmidole von Lesben und Schwulen. Stars auf Augenhöhe mit Homofaktor, Queer-Bingo und viel Text

40 Tafeln, auf der Vorderseite mit einer Fotografie, auf der Rückseite mit einem Text bestückt, hängen an dünnen Fäden von der Decke des Schwulen Museums. Jodie Foster ist zu sehen und David Bowie, Gina Gershon und Bruce Willis, Jean Marais, Joan Crawford, Marilyn Monroe und andere. Die Bilder, auf Augenhöhe gehängt, bewegen sich – aber nicht, weil ein Projektor sie zum Laufen brächte, sondern weil das in großer Zahl erschienene Vernissagen- Publikum gar nicht anders kann, als die Tafeln anzustoßen.

Wirklich bewegte Bilder gibt es auch in den Räumen des Kreuzberger Museums, das sich unter dem Titel „Nobody is perfect“ – dem letzten Satz aus Billy Wilders Crossdressing-Komödie „Some Like It Hot“ – den Filmidolen von Lesben und Schwulen widmet. Im hinteren Raum kann man Marlene Dietrich in einer Hosenrolle sehen oder einen Videozusammenschnitt, der nach Herzenslust mischt, was das Kino bereithält für schwule oder lesbische Fans: Szenen aus „Lilies“, „Love And Death in Long Island“, „Bound“ oder „When Night Is Falling“, aber auch aus älteren Filmen, die Homosexualität mal mehr, mal weniger in den Subtext verbannen.

So gemischt wie dieser Zusammenschnitt kommt die gesamte Ausstellung daher: Eklektizismus, Mut zur Lücke, zu Wunschdenken und zu schwärmerischem Überschwang bilden das Gestaltungsprinzip. Eine geballte Ladung Filmgeschichte trifft auf die Lust am Gerücht; die Sehnsucht nach Schwelgerei und nach Vorbildern, die Schwule und Lesben für sich beanspruchen können, begegnet einer guten Dosis Hohn und Spott. Mit Jodie Foster etwa meinten es die fünf Ausstellungsmacher und -macherinnen nicht gut: Warum ausgerechnet sie – die sich bisher nicht geoutet hat – „die von Lesben meistbegehrte Frau Hollywoods ist und ebenso von Schwulen verehrt wird“, bleibt ihr Geheimnis. Nichtsdestotrotz rangiert Foster mit einem „Homofaktor“ von fünf Punkten auf der Beliebtheitsskala weit oben, übertroffen nur von einigen wenigen Stars wie Divine, Marlene Dietrich oder James Dean, die mit je sechs Punkten die höchste Auszeichnung („Bingo! Unser Idol ist tatsächlich auch noch queer!“) erhalten. Dem Hauptdarsteller aus „...denn sie wissen nicht, was sie tun“ und „Jenseits von Eden“ ist sogar ein eigener Raum gewidmet, in dem sich diverse Memorabilien vor dem Hintergrund einer James- Dean-Fototapete gruppieren. Nur Diederich Diederichsen darf die weihevolle Stimmung stören: In einem Spiegel-Artikel, erschienen zu James Deans 30. Todestag im September 1985, geht der damals noch junge Poptheoretiker hart mit dem Star ins Gericht: „Dean dagegen stellte ein Monument von Verklemmungen und Verdrängungen dar“, sei eine banale Figur, die sich in unnötigen Konflikten aufgerieben habe.

Bei allem Überschuß an Bildern bleibt „Nobody is perfect“ eine Ausstellung zum Lesen. Wer sich über Details, Anekdoten, Hintergründe kundig machen will, muß sich auf eine Menge Text einstellen. Dem Anspruch der Macher und Macherinnen, daß „es vor allem sinnlich zugehen“ soll, läuft dies entgegen – daran ändert auch ein silbriger Dildo wenig, dessen Maße sich an Pornostar Jeff Stryker orientieren. Cristina Nord

„Nobody is perfect. Filmidole von Lesben und Schwulen“: bis 11.4. im Schwulen Museum, Mehringdamm 61, Kreuzberg, Mi.–So. 14–18 Uhr, Do. 14–21 Uhr