Ohne Ahnung Geld verdienen in der 2. Liga

■ Mit dem Sponsor Kinowelt im Rücken plant Regionaligist FC Union den lange anvisierten Aufstieg

„Union ist klarer Favorit auf die Meisterschaft“, sagt Babelsbergs Fußballehrer Karsten Heine über den Berliner Regionalliga-Konkurrenten, den er selbst bis Herbst 1997 trainierte. Damals warf Heine das Handtuch, weil sein hochverschuldeter Arbeitgeber keine Gehälter mehr zahlen konnte.

Wie sich die Zeiten in der Wuhlheide ändern. Kurz vor Weihnachten 1998 schleppte ein Aufsichtrat des Köpenicker Traditionsklubs kistenweise Sekt in die Kabine der einst darbenden Spieler. Fans skandierten im Stadion „Alte Försterei“: „2. Liga, wir kommen!“ Die „Eisernen“ hatten in einer vehementen Aufholjagd den 2. Platz erklommen – knapp hinter Herbstmeister VfB Leipzig. In der heute beginnenden Rückrunde soll gegen Zwickau nahtlos an diese Siegesserie angeknüpft werden. Ziel: Aufstieg in die 2. Bundesliga.

Das „Wunder in der Wuhlheide“ hat einen Namen: Michael Kölmel. Der Medienmogul aus München, dessen „Kinowelt AG“ seit dem Börsengang im Mai 1998 seinen Firmenwert vervierfachte, entdeckte vor Jahresfrist sein Faible für den Fußball, just als Union vor dem Gang zum Konkursrichter stand. Der frühere Tischtennisspieler aus dem Badischen („von Fußball habe ich keine Ahnung“) beglich die drängendsten Schulden von angeblich einer Million Mark auf einen Schlag und verpflichtete sich, bis 2005 jährlich eine größere Summe zum Vereinsetat beizusteuern. Die Rede ist von vier Millionen Mark pro Spielzeit.

Kölmel macht keinen Hehl daraus, daß sein Engagement in Köpenick keine karitative Hilfsaktion, sondern ein knallhartes operatives Unternehmen ist. „Natürlich will ich mit Union auch einmal Geld verdienen.“ Der promovierte Mathematiker rechnet damit, daß sich die Vereine bald vom Zentralvermarkter Deutscher Fußball-Bund (DFB) abnabeln dürfen. Spätestens dann wird beim Poker um die frei verkäuflichen TV-Rechte die dicke Kohle abgebaut.

Die wundersame Wandlung hat aber nicht allen Unionern den Kopf verdreht. „Wir haben unsere Seele an Kölmel verkauft“, schimpft ein Stadiongänger. So erhält „Retter“ Kölmel 80 Prozent der Einnahmen aus der neugegründeten Union-Marketing GmbH als Gegenleistung für seine Millioneneinlage. Der Rest bleibt im Verein. Zum Vergleich: Bundesligist Hertha BSC und Marketingpartner Ufa teilen sich die Einnahmen aus Werbung, Merchandising etc. im Verhältnis 60:40 zugunsten des Klubs.

Im Oktober kam es in der „Alten Försterei“ zur Palastrevolte. Schatzmeister Andrej Eckhardt, der schon vor 1990 zu Union pilgerte, warf Präsident Bertram, einem Geschäftsmann aus dem Westen, satzungswidriges Verhalten vor. „Was Union betrifft, ist Bertram ein Solist“, schimpfte Eckardt, nachdem der Kölmel-Intimus auf dem Chefsessel Trainer Ingo Weniger gefeuert hatte, ohne den Vorstand zu konsultieren. Eckhardt befürchtete, Union könnte dasselbe Schicksal erleiden wie Lokalrivale Tennis Borussia aus Charlottenburg, der sich vollends einem Sponsor, der „Göttinger Gruppe“, unterworfen hat.

Doch der Aufstand von Köpenick scheiterte. Schatzmeister Eckhardt wurde vom Aufsichtsrat abberufen. „Fehler wurden gemacht. Die Konsequenzen im Sinne der Sache wurden gezogen“, entschuldigte sich Aufsichtsrat Andreas Freese beim Anhang. Die letzten Wogen soll der neue Trainer Fritz Fuchs glätten. Gelingt ihm mit Union tatsächlich der seit Jahren anvisierte Aufstieg in die 2. Bundesliga, hätte der Verein in den Augen der Fans alles richtig gemacht. Jürgen Schulz