■ Bonn apart
: Bärbel Bohley darf Quittenmarmelade stehlen

Also, wenn ich's schon nicht werde oder meine Freundin Annemarie, dann finde ich Bärbel Bohley eine gute Wahl. Bärbel Bohley ist eine Gute. Frühere Bürgerrechtlerin, freischaffende Künstlerin, hat schon einen bemerkenswerten Satz gesagt: „Wir wollten Gerechtigkeit und haben den Rechtsstaat bekommen.“

Außerdem ist sie eine Nette. Ich glaub', mit der kann man im Frühling Gänseblümchen kauen, so zart und behutsam natürlich, daß man sie hinterher unbeschadet mit dem Schäufelchen wieder einpflanzen kann. Mit Bärbel Bohley, stell' ich mir vor, kann man auch Einweckgläser mit Quittenmarmelade stehlen – obwohl sie das wohl eher nicht für das Amt des Bundespräsidenten empfehlen würde. Aber das läßt sich ausräumen. Bärbel Bohley müßte nur bei uns anrufen und sagen: Das mit dem Quittenmarmeladenstehlen stimmt aber gar nicht. Wir würden das an unsere Leser weitergeben und die würden sagen: Sie ist halt doch die perfekte Kandidatin.

Das hat sich die CDU fein ausgedacht. Da denken alle, sie hat ihre Oppositionsrolle noch nicht richtig verkraftet, läßt sich von der CSU auf der Nase herumtanzen, verzettelt sich mit Unterschriftenaktionen und dann: plötzlich schießt sie mit dem fulminanten Vorschlag aus den Startlöchern, Bärbel Bohley solle Bundespräsidentin werden. Die CDU beweist dadurch schlagartig Handlungsfähigkeit! Geschlossenheit! Perfektes Timing! CSU-Landesgruppenchef Michael Glos hat festgestellt, daß die Union nur mit einer Frau eine Chance hat. Endlich hat die CDU mal wieder alles richtig gemacht. Bärbel Bohley ist eine Frau.

Der Vorschlag hat aber einen Haken. Er bringt die Wahl von Johannes Rau in Gefahr, diesem köstlichen Schwänkeerzähler. Was uns gar nicht recht ist. Rau ist schließlich schon 68 Jahre alt. In acht Jahren wäre er vermutlich zu alt für eine neuerliche Kandidatur. Und wer wollte ihm die Erfüllung seines Lebenstraumes versagen? Eines Traumes zumal, auf den er einen Anspruch hat. Schließlich hat ihm Gerhard Schröder das Amt versprochen. Rau muß es also werden. Wo käme sonst die politische Kultur dieses Landes hin? Bärbel Bohley kann doch ruhig Quittenmarmelade stehlen. Markus Franz