Zu Tode beruhigt?

■ Interessengemeinschaft will den Grindelhof im Univiertel mit Blumen, Bäumen und Bänken wiederbeleben

„Mit dieser Lösung ist keiner zufrieden“, sagt Franco Pisctelli kopfschüttelnd. Der Weinhändler lebt seit der teilweisen Sperrung des Grindelhofs von seinen Stammkunden, neue kommen kaum noch dazu. Die Stadtviertel bräuchten Leben, sagt er, und das käme mit dem Durchgangsverkehr. Der fließt seit August 1998 nur noch in Richtung Hallerstraße, allerdings genauso dicht wie eh und je.

Wohlwollend bis gleichgültig äußern sich hauptsächlich die Geschäftsleute am neu geschaffenen Einbahnstraßenabschnitt zwischen Grindelallee und Allendeplatz über die Umgestaltung. Es sind immer noch genug Menschen unterwegs, so daß Almut Starke vom Bekleidungsladen an der Ecke Bornstraße sogar ein wenig enttäuscht ist: „Ich dachte, sie würden hier eine richtige Fußgängerzone schaffen.“

Bei einer Komplettsperrung hätte auch Pisctelli weniger Chaos vor seinem Laden auf dem nicht verkehrsberuhigten Teil des Grindelhofes zwischen Hallerplatz und dem Wendehammer am Allendeplatz. Sein Lieferant parkt gerade in der zweiten Reihe und lädt Weinkartons aus. Das sei früher kein Problem gewesen, so Pisctelli: „Die Straße war ja breit genug.“ Jetzt blockiert der Wagen allerdings die halbe Fahrbahn und verursacht einen mittleren Stau.

Das gleiche passiert, wenn der Entsorgungswagen vor Helene Frorieps Wäscherei hält. Aber das ist Frorieps kleinstes Problem. Schmerzlicher ist für sie der Verlust der Kunden, die morgens auf dem Weg zur Arbeit kurz ihre Wäsche reinbrachten und abends wieder abholten. Ihr Umsatz sei im Keller, die Verbindlichkeiten hoch. Sie könne ihre Öffnungszeiten morgens und abends um je eine Stunde reduzieren, klagt sie. Da käme ohnehin keiner mehr.

Der Antiquitätenhändler gegenüber klagt sogar über anhaltende Probleme, seine Ladenmiete zu bezahlen. Trotzdem will Fritz Missal nicht vorschnell aufgeben: „Wir haben noch Lust und Mut, aber jetzt müßten mal alle an einem Strang ziehen.“

Diesen Strang versucht Jörg Ruschke zu organisieren. Vor vier Wochen rief er die Interessengemeinschaft „Grindelhof Quartier“ ins Leben. „Die Stimmung ist bei einigen sehr gereizt“, sagt Ruschke. Der fehlende Durchgangsverkehr sei ein großes Problem für viele Gewerbetreibende. Angefangen bei den Bäckern, denen die morgendlichen Brötchenkäufer und Kaffeetrinker ausgingen.

Trotzdem ist er von den Vorteilen der Verkehrsberuhigung überzeugt. „Das zahlt sich natürlich erst im Sommer aus, dann herrscht hier eine wunderbare Straßencafé-Atmosphäre.“ Mit kulturellen Veranstaltungen und Straßenfesten will er dafür sorgen, daß die Menschen den Wert des gewachsenen Viertels erkennen und sich wieder für den Grindelhof begeistern. Die Promenade, auf der das alles stattfinden soll, ist im Moment menschenleer und schmucklos – ein gepflasterter Gehweg ohne Blumen, Bäume oder Bänke.

Bei Helene Froriep steht schon eine Bank vor der Tür: Ihre Sparkasse möchte mit der Rückforderung eines Darlehens genauso wenig bis zum Sommer warten wie der Vermieter von Fritz Missal auf die Miete.

Oliver Steinebach