Der Kampf um mehr Bürgerbeteiligung

■ Serie „Bürgerinitiativen gegen Flächenfraß“, Teil 4. Heute: Der Arbeitskreis „Haven Höövt“ aus Vegesack, der verhindern will, daß auf der Brache der ehemaligen Lürssen-Werft eine überdimensionierte Shopping-Wunderwelt entsteht

Wir leben hier und wir mischen mit“, sagt Helmut Gehle, Mitbegründer vom Arbeitskreis Haven Höövt, in selbstbewußtem Vegesackerisch. Und das tut er, mit anderen Vegesackern, Grohnern und sonstigen Bremen-Nordern vereint, seit dem Jahr 1997. Damals taten sich mehrere Bürgerinitiativen, Anliegergemeinschaften und Einzelpersonen zusammen. Ihr gemeinsames Ziel: „Sich einmischen“ bei den immer weiter fortschreitenden Planungen für die riesige Werftbrache am Vegesacker Hafen – kurz Haven Höövt genannt.

Mitmischen, einmischen, neu mischen: Das wollten die BürgerInnen rund um Vegesack vor allem, weil sie „das Gefühl hatten, hier findet überhaupt keine richtige Bürgerbeteiligung statt“, erinnert sich Gründungsvater Helmut Gehle. Ein Investor aus Buxtehude, Frank Albrecht, war nämlich im Jahr 1997 im Bremer Norden aufgetaucht. Verträge wurden geschlossen und Pläne gezeichnet für die Brache der Firma Lürssen, die Fachkreise schon lange als das Bremer Sahnegrundstück am Weserufer bezeichnen. Doch was genau auf dem immerhin rund 35.000 Quadratmeter großen Gelände geplant ist, drang kaum nach außen. Das Gerücht von einem riesigen SB-Markt-Betonklotz an der Weser machte die Runde.

Als das hiesige Orts- und Bauamt dann eine Einwohnerversammlung veranstaltete, um endlich konkrete Pläne zu präsentieren, ging das Ganze mächtig in die Hose: Die Versammlung fand in einem viel zu kleinen Saal ohne Mikrophone und Lautsprecher statt. Oberste Planer und Verwaltungsleute fingen sich deshalb harsche Proteste ein – und organisierten schließlich eine Wiederholung der völlig schiefgelaufe-nen Veranstaltung. Doch nach Ansicht der Pläne bestätigten sich dann die schlimmsten Ängste der Vegesacker Bür-geraktivistInnen „Die planen hier etwas, was keiner will.“

Nämlich doch ein großes Warenhaus samt Bowling-Bahn, Kino mit 1.400 Plätzen und einer Disco sowie Parkdecks über und unter dem Warenhaus mit Platz für 1.200 Autos. „Nachbessern“ und „neu planen“ – dieser Ruf schallte daraufhin von Vegesack hinauf in die Bremer Stadt hin zu den Entscheidern der großen Koalition in Politik und Verwaltung. Zusätzlich organisierte der Arbeitskreis sogar ein Alternativenforum. Als „Chance zur Teilhabe eines öffentlichen Diskurses“ wurden Architekten zu einem gemeinsamen Arbeitstreffen geladen. „Wie wollen die BürgerInnen selbst das Gelände „Haven Höövt“ und den angrenzenden Hafen entwickelt sehen?“, lautete die entscheidende Frage.

Kein Warenhaus sondern dafür kleinteiligen Einzelhandel und Gewerbe würde man lieber in Vegesack haben, sagt dazu Arbeitskreis-Mitglied Helmut Gehle. Und viel mehr Grünzonen und viel mehr Bürgerbeteiligung – ganz im Sinne der lokalen Agenda 21. Dafür, so Gehle, wollen die Bremen-Norder jetzt weiterhin kämpfen – und zwar im derzeit laufenden Bürgerbeteiligungsverfahren.

Danach können BürgerInnen bald ihre schriftlichen Einwände gegen die Pläne vor Ort einreichen. „Dabei wollen wir jetzt alle Betroffenen kräftig unterstützen“, verspricht Gehle, „damit auch möglichst qualifizierte und gute Kritik dabei herauskommt“ – und, so die Hoffnung, daß der Widerstand gegen das eigentlich längst von Baupolitikern der großen Koalition abgesegnete Modell vielleicht doch noch Früchte trägt. kat