: Die Angst vor der Ungewißheit
■ Nach der Scheidung die Abschiebung? Einer Mutter und ihren fünf Kindern droht die Abschiebung in eine vollkommen ungewisse Zukunft / Zwei Kinder sind in Bremen geboren
Nadje F. und ihre fünf Kinder haben wenig Hoffnung. Sie leben seit zehn Jahren in Bremen. Doch jetzt sollen sie abgeschoben werden.
Glaubt man Politikern von CDU/CSU, dann wird Deutschland mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts ein Zustrom von Ausländern drohen. Ähnliche Horrorvisionen werden – inhaltlich noch weitgehend unbegründet, aber immerhin publikumswirksam – auch für eine geplante „Altfallregelung“ heraufbeschworen. Diese soll für AusländerInnen, die schon so lange in Deutschland leben, daß eine Ausweisung unmenschliche Härte bedeuten würde, klare Bleiberegelungen schaffen; allerdings rechnen Experten dafür mit strengen Auswahlkriterien.
Nach den bisherigen Entwürfen würde eine weitgehende finanzielle Unabhängigkeit und ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Voraussetzung zum Bleiben sein; an dem Altfall-Kompromiß arbeiten die Innenminister der Länder seit dem Bonner Regierungswechsel. Doch selbst wenn die Altfallregelung schon da wäre, würde dies für Nedje F. und ihre Kinder, von denen zwei in Deutschland geboren sind, nichts bringen.
„Seit das Asylgesuch des Vaters abgelehnt wurde, lebt die Familie in Panik“, bestätigen die Bremer Rechtsanwältin der Mutter und Danja Schönhöfer von der Flüchtlingsinitiative Friesenstraße. Eine Abschiebung wäre für Mutter und Kinder eine „extreme Härte“ – zumal Nedje F. in die Türkei abgeschoben werden soll. „Das planen wir“, bestätigte der Leiter des Bremer Ausländeramtes, Dieter Trappmann, gegenüber der taz. „Wir gehen davon aus, daß sie Türkin ist.“ Doch die Mutter der vier minderjährigen und zweier volljähriger Kinder gibt an, Libanesin zu sein. Seit der Scheidung von ihrem kurdisch-türkischen Ehemann vor rund einem Jahr habe sie keinerlei Bindung mehr an dessen Heimat.
Die heute 38jährige Libanesin war als Jugendliche mit den Eltern aus dem Libanon in die Türkei geflohen. Dort hatte sie ihren Ehemann kennengelernt – und ihn im Alter von 15 Jahren geheiratet, berichtet sie. Drei Kinder wurden dort geboren; nach der Flucht nach Deutschland 1988 kamen ein heute achtjähriger Sohn und eine heute zehnjährige Tochter zur Welt. Für sie alle hatte der Vater aufgrund politischer Aktivitäten in der Türkei damals einen Asylantrag gestellt. Doch bevor dieser im vergangenen Herbst nach zehnjähriger Laufzeit abgelehnt wurde, ging die Ehe der Eltern F. in die Brüche.
Vor den Schlägen des Ehemannes war Nedje F. ins Bremer Frauenhaus geflüchtet. Ärztliche Atteste belegen ihre Verletzungen. Die Frau, eine Analphabetin, die ihren Lebtag Hausfrau und Mutter war, ließ sich scheiden. „Seit einem Jahr leben meine Eltern nicht mehr zusammen“, bestätigt die 18jährige Tochter Hülya. Sie wohnt wie die anderen minderjährigen Geschwister bei der Mutter und will eigentlich den Realschulabschluß schaffen.
Ob es dazu noch kommt, wird davon abhängen, ob die Familie Gnade findet. Eine Härtefallregelung wäre denkbar; das Ausländerrecht würde diese Möglichkeit theoretisch zulassen – aus dringenden humanitären Gründen (§55 Abs.3). Doch noch steht die Familie fast alleine.
„Eine Abschiebung der geschiedenen Frau und ihrer Kinder wird ihnen alle Chance auf eine Zukunft nehmen“, fürchtet Danja Schönhöfer von der Flüchtlingsini. Eine Abschiebung in die Türkei käme einer Katastrophe gleich – „Mutter und Kinder sprechen auch mit dem geschiedenen Vater vor allem libanesisches Arabisch“, sagt sie. „Die gehören nicht in die Türkei.“
ede
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