Unrasierter z.B.

■ Reinhold Beckmanns Talkshow ist völlig anders - man muß nur genau hinschauen (23 Uhr, ARD)

Er kommt vom Sport. Angefangen hat er bei der ARD. Richtig erfolgreich hat ihn der private TV- Sender Sat.1 gemacht. Für teures Geld hat ihn das öffentlich-rechtliche Fernsehen zurückgekauft. Um Sportsendungen zu moderieren, eine Abendunterhaltungsshow, eine wöchentliche, monothematische Talkshow – und wegen seiner Kontakte. Er trägt, zumindest während der Talksendung, ziemlich gutsitzende, braune Anzüge, sein Haar hat der Maskenbildner hinter der Bühne ein wenig in jungenhafte Unordnung gebracht. Das mögen die Frauen. Und die „Schwiegermütter“. Das Studio ist nach dem (inter-)nationalen Vorbild einer Late-night-Show gestaltet und steht in Hamburg. Am Anfang der Sendung tritt er locker vors Publikum. Dann kommen die Prominenten. Zum Beispiel Sportler. Mit denen kennt er sich aus. Denn er kommt vom Sport. Sein Name ist: Johannes B. Kerner.

Reinhold Beckmann hingegen heißt Reinhold Beckmann. Und die Analogien zum Kollegen K. schrumpfen bei näherem Hinsehen schnell aufs Wesentliche zusammen. Darüber hinaus: lauter Unterschiede. So ist Beckmann zum Beispiel unrasierter. Und trägt eine Brille. Von Sat.1 hat ihn nicht das ZDF, sondern die ARD abgeworben. Zudem wird seine Talksendung immer montags ausgestrahlt, weswegen sie in den Programmzeitschriften natürlich auch nicht unter „Donnerstag“ zu finden ist. Und schon gar nicht um „22.15 Uhr“. Denn Beckmann sagt sein „Schön'n gut'n Abend. Hallo. Begrüß' Sie ganz herzlich ...“, wenn beim Kerner – selbst wenn auch der sich am Wochenbeginn zu Wort melden würde – schon längst der Abspann läuft. Apropos Kerner übrigens: Im Gegensatz zur „J.B.K.“-Premiere, die sich vor fast genau einem Jahr zum Thema „Ganz oben“ ins Gespräch brachte, lautet Beckmanns Auftaktlosung nun „Süchtig nach Erfolg?“ Mit Fragezeichen. Und mit Oliver Bierhoff und Matthias Reim.

Überdies ist Beckmanns Anzug schwarz. Schwarz wie die schicken Ledersesselchen, die in den Probesendungen noch die Studiobühne zierten, inzwischen aber durch leichtes Korbgestühl ersetzt wurden, was allerdings immer noch ganz anders – seriöser – wirkt als die wuchtigen Konkurrenzpolster beim ZDF. Ach ja, und selbstverständlich nennt sich die neue Sendung nicht „R.B.“ oder „Die Reinhold-Beckmann-Show“, sondern schlicht (und ergreifend individualistisch): „Beckmann“.

„Das Konzept ist völlig anders“, verkündete denn auch NDR-Intendant Jobst Plog zur Präsentation des neuen ARD-Formats, das der Norddeutsche Rundfunk nun (gemeinsam mit dem BR, MDR, WDR und einem langen Atem) zu verantworten hat. Und wahrscheinlich ist der Intendanten-Satz, für sich genommen, gar nicht mal so falsch: Wo die Show des Johannes B. beherzt herumkasperlt und sich mit ihrer ebenso mutwilligen wie professionellen Bedingungslosigkeit einzig der Unterhaltung verpflichtet fühlt, wissen die Beckmännischen Gesprächsrunden dem bisherigen Programmangebot aller Voraussicht wohl nur einen weiteren Sendeplatz hinzuzufügen.

Leider meinte Plog jedoch mit seinem „völlig anders“ etwas völlig anderes: „Leute gegeneinander antreten zu lassen“, erklärte er nämlich, „dieses unangenehm Zirzensische, was gelegentlich in diesen Talkshows am Nachmittag auftritt, das hat mit dem, was wir wollen, überhaupt nichts zu tun.“ Was insofern schade ist, als daß Nachmittagstrashtalk am späten Montagabend nicht nur vergleichsweise innovativ, sondern immerhin auch ganz offensichtlich überflüssig gewesen wäre. Christoph Schultheis