■ Die FDP setzt bei der Europawahl auf Populismus
: Bauernfängerei statt Politik

Die Chancen für die FDP, wie 1989 schon einmal, ins Europaparlament einzuziehen (5,6 Prozent), stehen schlecht. Selbst Generalsekretär Guido Westerwelle spricht nur von einer „realistischen Chance“. Ausdruck der Misere ist vor allem die Personalsituation. Wer kennt schon ihren Spitzenkandidaten für die Europawahlen? Bekannter, zumindest in Ostdeutschland, ist da schon die Kandidatin für Platz 2: Die 21fache Kanuweltmeisterin Birgit Fischer. Aber ihre Nominierung kommt einer Selbstverleugnung der FDP gleich. Die parteilose Sportlerin, die bisher im politischen Geschäft überhaupt keine Rolle gespielt hat, wurde nur ausgeguckt, weil sie populär und Ostdeutsche ist. Deutlicher könnte die Entpolitisierung kaum zutage treten. Bauernfängerei statt Politik.

Da verwundert es auch nicht, daß die FDP auf ihrem Europatag auf eine Protestwahl setzte. Die FDP hofft, daß sie von einer wachsenden Ablehnung von Rot-Grün profitieren kann. In der Tat könnte die auch bei der SPD umstrittene Reform der Staatsbürgerschaft, die halbherzige Reform der 630-Mark-Jobs sowie die Ökosteuer, die am 1. April in Kraft treten soll, jene der FDP zutreiben, die sich von Gerhard Schröders Politik für die „Neue Mitte“ verschaukelt fühlen.

Doch mit diesem Kalkül verfehlen die Liberalen sogar ihre eigenen Stärken. Gerade in Anbetracht der jüngsten Skandale in der EU und der Rivalität der EU-Mitglieder um Märkte und Steuereinnahmen, müßte eine Partei, die eher als bürokratiefeindlich und wettbewerbsorientiert gilt, gute Chancen haben. Außerdem vertritt die FDP in der Europapolitik Standpunkte, die einen wohltuenden Kontrast zu der monetär ausgerichteten Europapolitik des Bundeskanzlers bilden.

Anders als Rot-Grün legt sich die FDP auf das Jahr 2002 als Beitrittstermin für „besonders fortgeschrittene“ Kandidaten fest. Wie Schröder auch, fordert sie zwar eine Senkung der deutschen Nettozahlungen, wendet sich aber gegen dessen Drohung, daß sich andersfalls der Beitritt der EU-Kandidaten verschieben könnte. Die FDP will statt dessen die Bürokratielasten in drei Jahren um 20 Prozent zurückführen, die Agrarsubventionen drastisch beschneiden, um dann Spielraum für die Diskussion um die Nettozahlungen zu haben.

Keine schlechten Argumente für eine Europawahl. Nur muß man erst mal selbst dran glauben. Nicht nur an die Streitkraft einer Kanuweltmeisterin. Markus Franz