Tiefes Zerwürfnis zwischen Netanjahu und Mordechai

■ Israels Ministerpräsident geht in die Offensive. Er feuert den Verteidigungsminister und bietet den Posten seinem innerparteilichen Herausforderer Arens an. Von Verrat und Lüge ist die Rede

Jerusalem (taz) – Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat am Samstag abend seinen Verteidigungsminister Jitzhak Mordechai gefeuert. Nach wochenlangem Zögern und endlosen Gesprächen ist Netanjahu damit wieder die Offensive gegangen.

In einem Brief an Mordechai schreibt Netanjahu: „Ein Mann, der die Prinzipien derer verrät, die ihn gewählt haben, ist ungeeignet, in unseren Reihen zu verbleiben. Deshalb können Sie nicht länger Verteidigungsminister in einer Likud-Regierung sein.“ Netanjahu bezog sich damit auf die Verhandlungen, die Mordechai in der vergangenen Woche mit der Zentrumspartei von Amnon Lipkin- Schahak geführt hatte. Dabei soll Mordechai sogar die Spitzenposition bei einer möglichen Stichwahl um das Amt des Ministerpräsidenten angeboten worden sein.

Mordechai, der bislang von Netanjahu mit Samthandschuhen angefaßt worden war, mußte noch eine kräftige Ohrfeige einstecken. „Ihre persönlichen Ambitionen sind stärker als jede andere Überlegung“, sagte der Ministerpräsident. Netanjahu spielte damit auf einen Deal an, den Mordechai vor der Wahl 1996 gemacht hatte. Erst nachdem die Arbeitspartei ihm das Verteidigungsministerium nicht hatte zusichern wollen, hatte Mordechai sich dem Likud angedient.

Ein getroffener Mordechai verlas nur wenige Minuten nach seiner Entlassung mit zitternder Stimme eine Stellungnahme: „Herr Netanjahu hat mir heute abend einen Brief geschickt, der voller Lügen, Vorwürfen und Verdrehungen ist. Der Ministerpräsident verdient nicht länger mein persönliches Vertrauen und, ich vermute, auch nicht das der Menschen in Israel.“ Und er fügte hinzu: „Ich habe die Absicht, gemeinsam mit meinen Partnern eine alternative Führung zu bilden.“

In den letzten zweieinhalb Jahren hat Netanjahu damit einen Außen-, zwei Finanz- und jetzt den Verteidigungsminister verloren. Am Wochenende versuchte Netanjahu umgehend, Kapital aus dem Krach mit Mordechai zu schlagen. Er bot das Verteidigungsministerium seinem ehemaligen Mentor und innerparteilichen Herausforderer Mosche Arens an. Der 72jährige tritt heute bei den Vorwahlen im Likud um die Parteiführung gegen Netanjahu an.

An einem Sieg Netanjahus gibt es jedoch wenig Zweifel. Um so mehr häufen sich jedoch Bedenken über Netanjahus Fähigkeit, die Partei zusammenzuhalten. Beobachter vermuten, daß der Likud, zumal mit Arens als Verteidigungsminister, weiter nach rechts rücken wird. Dies aber würde bedeuten, daß Netanjahu die „politische Mitte“ in Israel und die noch unentschlossenen Wähler zu einem großen Teil verlieren wird. Georg Baltissen