Im FDP-Kanu gen Europaparlament

■ FDP paddelt mit Top-Kanutin für Europa: 79 Prozent für Frau, die am liebsten ihre Bude umräumt

Frankfurt/Main (taz) – „Die Partei kocht“, stöhnt ein Delegierter beim Europatag der FDP in Frankfurt. Grund dafür ist die erfolgreichste Kanutin der Welt, die ausweislich eines an alle Delegierten verteilten Fragebogens in ihrer Freizeit am liebsten ihre Wohnung umräumt, gern den lieben Gott persönlich kennenlernen würde und als großartige Sportlerin in Erinnerung bleiben will.

Birgit Fischer, 21fache Kanuweltmeisterin, hat einen Listenplatz der FDP zur Europawahl sicher. Die meisten Delegierten haben zu ihrer Empörung erst an diesem Samstag von der Kandidatur der parteilosen Ostdeutschen erfahren. Den engeren Führungszirkel informierte Parteichef Wolfgang Gerhardt drei Tage vorher. Die 36jährige Kandidatin mußte ihre Bewerbung faxen. Sie bereitet sich zur Zeit in Australien auf die Olympiade in Sydney vor. Zu ihrer Wahl ist sie daher nicht anwesend. Aber ihr Fragebogen.

Anwesend ist dagegen der Spitzenkandidat der FDP für die Europawahlen, der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann. Platz zwei hat Fischer, die weiteren Kandidaten für sichere Listenplätze sind noch weniger bekannt. Die FDP hat ein Personalproblem. Vor fünf Jahren flog die Partei mit 4,1 Prozent aus dem Europaparlament. Damals war eine gewisse Uta Würfel Spitzenkandidatin. Heute ist sie Pharma-Lobbyistin. Diesmal ist es für die FDP besonders wichtig, ins Europaparlament zu kommen. Sie ist nicht mehr an der Regierung, nur noch in zwei Landesparlamenten vertreten – eine neuerliche Pleite bei der Europawahl würde die FDP weiter an den Rand drücken.

Wie haben sie Klaus Kinkel bekniet, als Spitzenkandidat anzutreten! Aber der ehemalige Außenminister lehnte aus persönlichen Gründen ab. Seine Frau sei dagegen gewesen. „Der hätte uns allein zwei Prozent gebracht, und wenn es nur ein Mitleidseffekt gewesen wäre“, sagt ein Delegierter. Allerdings hat sich Kinkel nie damit hervorgetan, Wahlen zu gewinnen.

Der Unmut darüber, wie Fischer aus dem Hut gezogen wurde, ist groß. Was ist, fragt jemand bestürzt, „wenn sich herausstellt, daß sie von der Stasi irgendeinen Orden bekommen hat“. Außerdem muß das Bundesschiedsgericht der Partei nun prüfen, ob eine Bewerbung per Fax zulässig ist.

Birgit Fischer bekommt dennoch 79 Prozent der Stimmen. Ob den Liberalen das mal gelohnt wird? „Ich wurde von der FDP aufgestellt“, meldete sich Birgit Fischer aus Brisbane, „aber nicht für sie.“ Markus Franz