Opportunist mit der Aura eines Kleinbürgers

■ Bruno Mégret, der neue FN-Chef, ist ein Mann mit großem Ehrgeiz. Um an die Macht zu kommen, geht er auch Bündnisse mit den Gaullisten und der rechtsliberalen Partei ein

Sein Rivale und bisheriger Chef Jean-Marie Le Pen bezeichnet ihn neuerdings als Psychopathen, Verräter oder Lilliputaner, doch der 49jährige Bruno Mégret wahrt Fassung und sein säuerliches Lächeln. So ist der kleine Mann mit dem großen Ehrgeiz: verliert niemals die Beherrschung und kommt nie aus sich heraus.

Wie in seiner Jugendzeit, als er nach Angaben von Schulfreunden jeden Abend eifrig büffelte. Er ging nicht tanzen und wurde niemals angetrunken gesehen. Sein ehrgeiziges Ziel: Er wollte unbedingt Karriere machen und die Aufnahmeprüfung für eine Eliteschule schaffen.

Die Kaderschmiede „Polytechnique“ schaffte Mégret trotzdem nur mit Mühe. Anschließend studierte er einige Semester in den USA, in Berkley bei San Francisco.

In der Pariser Elite blieb er jedoch immer ein Außenseiter. In Berührung mit der Politik kam er im reaktionären Club Horloge; 1979 versuchte er es zwei Jahre lang in der Gaullistenpartei RPR, für die er sich in den Wahlkämpfen tapfer, aber erfolglos schlug: Für den gaullistischen Geschmack war er zu geschliffen, zu kalt, zu unscheinbar. Aber immerhin schaffte er es bis ins Zentralkomitee der Partei.

Der Opportunist mit der Aura eines gehemmten Kleinbürgers ging dann Anfang der achtziger Jahre wieder seinen eigenen Weg und gründete „Komitees der republikanischen Aktion“. 1985 brachte er diese Gremien in die Front National (FN) ein, als er vom Parteichef Jean-Marie Le Pen erfolgreich geworben wurde. Dort stieg er schnell die Karriereleiter hinauf und profilierte sich bei der Präsidentenwahl 1988 als Wahlkampfleiter Le Pens, der damals überraschend über 14 Prozent der Stimmen erhielt. Seit 1989 sitzt Mégret für die FN als Abgeordneter im Europaparlament.

Insgeheim behielt er das Netz seiner Komitees aber als Machtbasis, und Le Pen staunte wohl selbst, wie schnell der Parteiapparat und der mächtige Ordnungsdienst zu Mégret überliefen. Mégret baut (sich) leise auf, organisiert bis in die letzten Details. Er kalkuliert jedes Wort, das er sagt – und jede Wählerstimme, die er beziehungsweise seine Frau in der südfranzösischen Keinstadt Vitrolles erhalten haben. Mit Hilfe seiner Gattin Catherine als Strohfrau hatte Bruno Mégret den Kampf um das Amt des Bügermeisters von Vitrolles zugunsten der FN entscheiden können.

Im Unterschied zu Le Pen scheut Mégret keine Arrangements mit den klassischen Rechtsparteien, um an die Macht zu kommen. Der Gaullistenpartei RPR und der rechtsliberalen UDF bot er im vergangenen Jahr an, wenigstens Absprachen über die Wahllisten vorzunehmen. Auch wenn die Gaullisten und Liberalen dankend ablehnten, weiß Mégret, daß in der Grauzone zwischen Bürgerblock und extremer Rechter noch viele Wählerstimmen brachliegen.

Bei der Ideologie Le Pens und Mégrets gibt es hingegen keine Unterschiede. Das Programm seiner neuen FN unterscheide sich nicht von demjenigen Le Pens, räumt Mégret freimütig ein: Er hatte als Chefideologe der FN ja auch das alte Programm gezimmert. Bloß verpackt er die Ideologie der „nationalen Präferenz“ in allen Lebenslagen salonfähiger und begründet sie intellektueller.

Wenn ihn sogar Le Pen als „Rassisten“ beschimpft, muß etwas daran sein. 1997 wurde Mégret von einem französischen Gericht verurteilt, weil er laut über die „Überlegenheit einer Rasse über eine andere“ nachgedacht hatte. In Vitrolles wollte er eine Geburtsprämie für europäische Mütter einrichten, was ebenfalls gerichtlich untersagt wurde. Vorwürfe des Rassismus oder Antisemitismus weist er aber weit von sich: Seine Frau sei ja auch jüdisch-russischer Abstammung. In der FN dienen die Ehefrauen – diesbezüglich handeln Mégret und Le Pen gleich – eben noch immer als Alibifiguren.