Herrenanzüge. Sonst nichts.

Statt hektisch in Grabbeltischen zu wühlen lieber gediegen einkaufen – und einen von 12.000 Anzügen erwerben, empfiehlt  ■ Eberhard Spohd

Die Zeit des Winterschlußverkaufs. Schnäppchenjagd. Der Mensch besinnt sich auf seine archaischen Triebe. Er wird zum Jäger und Sammler. Er macht sich auf in die Innenstadt und findet doch nur Dauerniedrigpreise und vorgezogene Reduzierungen. Designerboutiquen, die teure Klamotten nur ein wenig weniger teuer anbieten und Grabbeltische in Kaufhäusern, in denen nichts wirklich Brauchbares zu finden ist. Die Laune ist schon verdorben.

Das muß nicht sein. Denn es gibt sie noch, die Relikte aus vergangenen Tagen der Einkaufsfreude. Den Herrenausstatter Policke auf St. Georg zum Beispiel. Auf die Frage nach saisonal verbilligter Ware erntet der Kunde hier nur ein müdes Lächeln. „Wir machen keinen Winterschlußverkauf“, bescheidet ihm der Verkäufer, „denn einerseits sind wir ohnehin schon preisgünstig, und zum anderen gibt es bei uns Herrenanzüge“. Ein Marktsegment, das immer gefragt ist und selten von modischen Trends revolutioniert wird.

Ein höflicher Angestellter befragt den Kunden sofort beim Eintritt nach seinen Wünschen. Die Antwort, einen Anzug wolle man kaufen, zaubert zunächst eine leicht überraschte Miene auf das Gesicht des Verkäufers, ganz so als sei er erstaunt, daß so etwas von ihm verlangt wird. Dabei genügt ein kurzer Rundblick durch die Verkaufsräume um festzustellen, daß eigentlich nur Sakkos, Westen und Hosen im Angebot sind. Auf die bescheidene Frage, wieviele Anzüge wohl dicht an dicht über drei Stockwerke an den Decken hängen, bekommt der Kunde die Antwort: „So um die 12.000 werden es schon sein.“

Die gesuchte Größe ist mit einem Maßband schnell ermittelt, bleibt nur noch zu klären, welche Farbe die Kleidung haben soll. Die Wahl fällt schwer, schließlich sind neben schwarz auch noch anthrazit und grau im Angebot. Das zweite Kriterium – Ein- oder Zweireiher – und das dritte – soll das Jackett zwei, drei oder modisch geradezu avantgardistisch vier Knöpfe haben – sind schnell abgefragt, und schon geht es los.

Vier, fünf Anzüge werden vorgeführt, dann stellt die fleißige Fachkraft, wieder scheinbar erstaunt, fest: „Jetzt wiederholt sich das Angebot eigentlich wieder.“ Eine kurze Anprobe rundet den Einkauf gelungen ab. Noch eine kleine Mahnung, wie die neuerworbene Kleidung zu pflegen sei, der Gang zur Kasse, und nach einer halben Stunde verläßt der Kunde den Laden in der Gewissheit, bei allen Gelegenheiten standesgemäß gekleidet zu sein.

Und auf den Winterschlußverkauf in Zukunft zu verzichten.