Banales durch die Linse

■ Zum Abgewöhnen – Ein Video über den abgebrannten Kreuzberger Plantation-Club

Ein paar Sommer lang war der tiefblaue Flachbau mit den roten Rändern ein schöner Ort, um nachts noch mal vom Rad zu steigen, ein Budweiser aus der Flasche zu trinken und Menschen zuzusehen, wie sie tanzen. Der Garten mit seinem aufgeschütteten Sand animierte dazu, den Plantation-Club für eine „Oase in der Stadtwüste“ oder ähnliches zu halten. Im November ist der Club abgebrannt.

Demnächst wäre er sowieso – wegen konkreter Baupläne – dem Abrißbagger zum Opfer gefallen. Das mag alles sehr traurig sein - aber noch lange kein Grund, sich die Laune von einem grottenschlechten Video von Judith Siegmund verderben zu lassen.

Ihr knapp einstündiges „Videoportrait“ „Berlin Plantation“ sollte nicht öffentlich gezeigt werden. Frau Siegmund kann weder schneiden, noch weiß sie, daß Mikrofone bei Außenaufnahmen empfindlich auf Windgeräusche reagieren, noch hatte sie eine Vorstellung von den Bildern, die sie zeigen wollte. Beseelt von der Mission, Menschen darüber auszufragen, wie es sich so anfühlt, anderen einen Cocktail zu mixen oder eine Jacke aufzuhängen, hält Siegmund mit ihrer hoffentlich nur geliehenen Videokamera gnadenlos drauf. DJ Berti wird gezeigt, wie er eine Platte aus der Hülle zieht. Dann darf DJ Berti zu Hause seine eigene CD mit gescheiterten Filmmusiken in die Kamera halten und sagen: „Also grundsätzlich ist Berlin 'ne Stadt, wo jeder so sein eigenes Ding machen kann.“

Türsteher oder Bierverkäuferinnen werden sogar zu Hause vor ihren Kachelofen gesetzt und interviewt. Menschen sagen dann so Sachen wie „hier wird auch sehr viel getanzt, andere Läden in Berlin sind so cool und arrogant“. Naiv versucht Siegmund die Plantation- Mitarbeiter zu einer Schar bunter Multikulti-Angestellter zu machen. „Und was studierst du? Germanistik! Aha!? Und, willst du das zu deinem Beruf machen?“

Wer die Musealisierung des Berliner Clublebens durch Videosierung befürchtet, muß vor diesem Film keine Bange haben. Hier werden die Mythen des Underground weder weitergestrickt noch erhellt. Wir erfahren nichts Substantielles über Leben und Geschichte eines Clubs, seiner Macher und Besucher. Nichts über die Flüchtigkeit der Orte und Vergänglichkeit der Trends. Wir erfahren weder etwas über die Vergangenheit („Friedrich“?) oder den drohenden Abriß noch über die Ursachen des Feuers. Vielleicht hat jemand Siegmunds Video vorab gesehen und das Plantation danach aus Ärger über all die Banalität angezündet. Andreas Becker

„Berlin Plantation“. Von Judith Siegmund , 27.1., 19 Uhr, 28.1., 20 Uhr, Lichtblick, Kastanienallee 77