Einsame Geschwister im Herrn

■ Am Wochenende trafen sich in Woltersdorf Christen aus der Republik zu einem Single-Treff. Für die Partnerwahl ist der rechte Glauben wichtig: „Ein Christ und ein Nichtchrist passen nicht zusammen“

Michael (34), Bergmann aus Marl bei Recklinghausen, will nicht verraten, auf wen er einen Blick geworfen hat. Aber eines ist gewiß: „Ich weiß, daß er oben für mich eine Partnerin hat.“

„Er oben“, das ist, zumindest an diesem Wochenende in Woltersdorf, östlich von Berlin und in dieser Gruppe, ganz eindeutig „Jesus“, wie hier gesagt wird. So sprechen insgesamt 36 Männer und Frauen, die im „Haus Gottesfriede“ zusammengekommen sind – alle Singles, alle Christen „mit Partnerwunsch“, wie Susanne Tilleke, die Gruppenleiterin sagt.

Die Singles haben zwischen 120 und 200 Mark für das Wochenende an Frau Tilleke bezahlt. Ihr Mann und sie führen den TPS-Service, eine Partneragentur aus der Nähe von Bielefeld: „Traumpartner-Service“ hat sich auf die Vermittlung von „Christen“ spezialisiert.

Das Ambiente paßt. Das „Haus Gottesfriede“ liegt idyllisch in den Wäldern zwischen Flaken- und Kalksee. Es ist das „Begegnungs- und Bildungszentrum“ des „Deutschen EC-Verbandes“ – EC steht für: „Entschieden für Christus“.

Nach zwei gescheiterten Beziehungen will Michael „dem Schicksal nachhelfen“, deshalb die christliche Single-Freizeit. Am Freitag abend kam er an, ganz in Rockerkluft: links eine Messingplakette mit seinem Spitznamen „Prediger“, rechts einen Flicken in der Form des Harley-Davidson-Emblems „Hallelujah David's Son – Jesus Christ“, auf den Schultern zwei Kreuze von Soldatenseelsorgern.

Ähnlich auffällig, wegen ihrer hier eher seltenen Eleganz, ist auch Gabi, eine 31jährige Ergo- und Musiktherapeutin aus Magdeburg. Die Ehe mit ihrem Mann sei vor fünf Jahren gescheitert, weil sie mehr Ansprüche an ihren gemeinsamen Glauben gehabt habe als er. Ihr beiden Ohrstecker in Kreuzform baumeln, wenn sie redet, auch ihre Halskette schmückt ein Kreuzchen. Die Mutter eines zehnjährigen Sohnes hat schon über Kontaktanzeigen versucht, einen christlichen Partner zu finden – zu 90 Prozent aber meldeten sich Nichtchristen, erzählt sie.

Solche trojanischen Pferde hätten es auf dieser Freizeit schwer. Allein eine Wanderung am Samstag zu einem nahen Aussichtsturm und einige Vertrauensspielchen haben keinen direkt christlichen Charakter. Sonst: ein Gottesdienstbesuch am Sonntag, viele Gebete (nicht nur vor den Mahlzeiten) – und vor allem jede Menge Gespräche über Gott, die Bibel und Partnerschaften.

Aber nur zwischen Männern und Frauen! Darüber, daß auch mal ein schwuler Christ auf ein solches Treffen mitfahren wollte, kann Frau Tilleke noch heute lachen. Eher absurd findet sie auch die Frage, ob die Singles nach Geschlechtern getrennt auf die Doppelzimmer verteilt würden – etwas anderes sei „in christlichen Kreisen nicht üblich“.

Ursula (58) aus Hannover ist nicht zum „fishing for men“ hierhergekommen, wie sie hervorhebt. Die Mutter von vier erwachsenen Kindern und mehrfache Großmutter will beim Single-Treff vor allem „die Seele baumeln lassen“. Das sei wie Kurzurlaub. Nach vielen Jahren Ehe hat sich ihr Mann wegen einer 20 Jahre jüngeren Frau von ihr getrennt – der Treulose arbeitet bei der Kirche.

Dennoch hält sie es für „unbedingt“ wichtig, daß ein möglicher neuer Partner auch Christ ist. Sie erwarte, „daß meine Gebete ankommen und Gott reagiert“. Deshalb bete sie für die Regierung, für die Kirche, aber auch schon einmal für einen passenden Organisten. Ein passenden Mann habe sie hier jedoch nicht getroffen – bei einem Durchschnittsalter von 38 Jahren seien die meisten einfach zu jung.

Das Problem hat auch Siegfried, mit 69 Jahren der älteste Teilnehmer. Ein Christ und ein Nichtchrist, sagt er streng während des Gottesdienstbesuchs bei den Baptisten in Köpenick, „passen in Wirklichkeit nicht zusammen“, schon wegen des Alltags. Wer das bezweifle, wisse nicht, was das heißt, Christ zu sein: „Ein echter Christ“, erklärt er apodiktisch, „gibt den Zehnten.“

Nach dem Gottesdienst am Sonntag geht das Treffen mit einem Mittagessen zu Ende. Einige umarmen sich zum Abschied. Von etwa 300 Singles auf insgesamt acht Treffen hätten ungefähr zwei Dutzend einen Partner gefunden, erklärt Frau Tilleke noch. Er habe „Geschwister im Herrn“ getroffen, mit manchen werde er Kontakt halten, sagt Michael. Und, auch wenn's seltsam klinge: „Ich freue mich auf jeden einzelnen Bruder und jede Schwester, die ich im Himmel wiedersehen kann.“ Philipp Gessler