Peter Unfried
: Tor für Deutschland

■ Vergeuden auch Sie Ihr Leben mit dem Lesen von Sportteilen?

Steve Sanders ließ die Los Angeles Times sinken. Warum er sein Leben damit vergeudete, den Sportteil zu lesen? Er sah seinen Freund Brandon Walsh an, seufzte und sagte: „Ich komm' mir wie ein Verlierer vor. Und in den Sportberichten kann ich etwas über Sieger lesen.“

Während Brandon ihm tapfer zuredete, hörte ich einen zweiten Seufzer. Wer seufzte? It was I (Lindsay Buckingham). Erstens wegen Steves Problem, zweitens weil ich in diesem Moment schmerzlich erkannte, was dieser Kolumne hier fehlt, die sich doch häufig an Superverlierern abarbeitet – speziell natürlich Berti. Ich beschloß, einen gesamten Abschnitt von einem Sieger formulieren zu lassen.

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„Schon in der 13. Minute hatte ich das 1:0 erzielt. Wir erhielten einen Freistoß zugesprochen. Netzer zirkelte das Leder mit Effet an der Abwehrmauer vorbei vor das Tor, und ich donnerte es zum 1:0 ins Netz. Dann führte Netzer einen weiten Freistoß aus. Sein schräger Schuß kam mir maßgerecht vor die Beine, und volley aus der Luft jagte ich den Ball mit Vehemenz an Podlasly vorbei zum 3:1 in die rechte Ecke. Dieses Tor war entscheidend für unseren 3:2-Sieg.“

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Steves Seufzen muß man ernst nehmen. Er hatte ein akutes Problem mit einer Frau. Dazu kam das generelle Problem, daß er ein Vollidiot war. Was soll so einer Ihrer Meinung nach tun? Eben. Gerade war er mit den Boxergebnissen durchgewesen, nun wollte er in aller Ruhe die Statistik vom Fliegenfischen studieren. Mein Seufzen hatte natürlich auch tiefere Gründe. Ich bin nämlich sicher, er würde den verdammten Sportteil auch auffressen, wenn das Problem mit der Alten nicht wäre. Ich fange ja auch immer an, nach den Fliegenfischen-Resultaten zu schauen, kaum daß der Flieger über Grönland schwebt. Bevor Sie jetzt fürchten, das führe hier unweigerlich wieder zu einer Verliererlitanei, erklärt diese Kolumne, sich ihrer Aufgabe im Sinne der eben erst in der Süddeutschen Zeitung formulierten Grundsätze zu stellen. Jawoll, auch „Tor für Deutschland“ will ab sofort moralischer Sieger sein und der „oberflächlichen Welt des Zirkussports gelegentlich ein paar journalistische Nasenstüber verpassen.“ Piff-paff.

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Nichtsdestotrotz: Was Steve und seine Lektüre der Fliegenfischen-Resultate betrifft, so sind Sie sicher mit mir einer Meinung, daß man ganz schön am Ende sein muß, um seine Zeit damit zu vergeuden. Allerdings, fürchte ich, ist es immer noch besser, als an einem Samstagnachmittag „Beverly Hills 90210“ zu schauen. Ich kann ja noch nicht einmal behaupten, ich sei „nur so“ hineingezappt. Seit Wochen geht das so. Jeden verdammten Samstagnachmittag. Und warum? Weil keine Bundesliga ist. Alles wäre anders, wenn Bundesliga wäre. Alles im Leben wäre anders, wenn es anders wäre. Ich kann jetzt auf Anhieb natürlich nicht mehr sagen, wer das gesagt hat. R. Goetz? George? Im Zweifelsfall Brandons Freundin Kelly.

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Bevor Sie hier nun praktisch nur über „90210“ informiert wurden, näheres zum „Sieger“: Das Spiel fand am 12. März 1969 statt und lautete Mönchengladbach– Hannover 96. Der Text des Ich- Erzählers hat die Überschrift: „Als Abwehrspieler 2 Tore in 1 Spiel“. (Wer war's? Fax: (030) 2516062. Parole: „Kaninchen“.) Zweitens soll doch noch Stellung bezogen werden zu den wichtigen Fragen: Muß Samaranch weg? Soll den IOC-Laden nicht besser je ein Journalist von SZ und Berliner Zeitung (Namen sind bekannt) übernehmen? Dazu dieses: Wenn man etwas Falsches tut, um das Ganze zu bewahren, ist es das Ganze nicht mehr wert. Das hat die gute Donna zu David gesagt. Und raten Sie, was? David verlor keine Zeit mit Sportteil- Lesen. He did the right thing. Jetzt wird er Donna zurückgewinnen.