Entschuldungsinitiative mit Widersprüchen

■ Entwicklungspolitische NGOs kritisieren die Schuldenerlaßpläne der rot-grünen Koalition

Bonn (taz) – Einen Beitrag zu einer „radikalen Schuldenminderung“ der Entwicklungsländer versprach Bundeskanzler Gerhard Schröder vergangene Woche. Die Entschuldungsinitiative der rot- grünen Koalition, der nach eigenen Angaben „Vorschläge von Nichtregierungsorganisationen“ zugrundegelegt wurden, soll im Juni auf dem Kölner Weltwirtschaftsgipfel beschlossen werden. Wird damit nun der Erlaßjahrkampagne 2000, die Großaktionen angekündigt hat, der Wind aus den Segeln genommen?

Die Überschuldungskrise rangiert nicht ohne Grund ganz oben auf der Agenda des Weltwirtschaftsgipfels, steht sie doch in engem Zusammenhang mit der globalen Finanzkrise. Die Gesamtschulden der Entwicklungsländer sind allein 1997 um 3,6 Prozent auf 2,17 Billion US-Dollar gestiegen. Der Schuldenreport 1999 der Bonner Informationsstelle WEED rechnet damit, daß die von IWF und Weltbank geschnürten Rettungspakete einen weiteren sprunghaften Anstieg der Verschuldung bringen: Für die südostasiatischen Krisenländer, Rußland und Brasilien wurden über 200 Milliarden US-Dollar Kredite mobilisiert.

Unter der Überschuldung leiden aber insbesondere die ärmsten Länder, deren Gesamtschulden 1996 201 Milliarden Dollar betrugen, 15,5 Milliarden davon beim Bundesfinanzminister. Zinsen und Tilgung sind oft höher als die Ausgaben für Bildung und Gesundheit, viele sind in Zahlungsverzug. Auf Betreiben der Weltbank einigten sich bi- und multilaterale Gläubiger 1996 auf ein koordiniertes Entlastungsprogramm, das eine geordnete Rückzahlung sicherstellen soll. Nach Auffassung von regierungsunabhängigen Organisationen (NGOs) brachte die Initiative jedoch bislang zu wenig – nur sieben Länder wurden um rund 3 Milliarden Dollar „erleichtert“.

Auf dieser Weltbank-Initative baut jedoch der Vorschlag der Bundesregierung auf. Der Schuldenerlaß soll künftig rascher wirksam, in Ausnahmefällen auch ein völliger Erlaß bilateraler Schulden möglich werden, verspricht Entwicklungsministerin Heidmarie Wieczorek-Zeul. Das Geld soll dem Umweltschutz und der Armutsminderung zugute kommen.

Die Initiative krankt jedoch an einem grundlegenden Widerspruch, moniert Barbara Unmüßig von WEED: Während der Koalitionsvertrag die Reformnotwendigkeit von Strukturanpassungsprogrammen unter ökologischen und sozialen Kriterien betont, hält die Initiative an Anpassungsprogrammen als Vorbedingung fest. Sie will sogar das Anpassungsprogramm des IWF für die ärmsten Länder (Esaf) stärken, das nicht nur NGOs, sondern auch der grüne Koalitionspartner ablehnen.

Unzureichend seien auch die Kriterien, wann ein Schuldenstand als „nicht tragbar“ eingestuft wird, kritisiert Walter Eberlei vom „Initiativkreis Entwicklung braucht Entschuldung“, weil dadurch viele bedürftige Länder aus einer Schuldenerleichterung ausgeschlossen würden. Schließlich schweige der Vorschlag zu weitergehenden Forderungen wie einem Alleingang der Bundesregierung oder einem internationalen Insolvenzrecht für Staaten. Uwe Hoering