■ Israels Parteienlandschaft zersplittert und rückt nach rechts
: Führungslos

Untereinander spinnefeind, aber vereint gegen die Palästinenser. Das Gerangel um Posten, Kandidaturen und Listenplätze kann nicht verhehlen, daß die großen Parteien in Israel sich auf einen Termin geeinigt haben, der nach dem 4. Mai, dem offiziellen Auslaufen der Oslo-Vereinbarungen, liegt. Der Schwarze Peter landete in Arafats Feld. Entscheidet er sich für eine Verschiebung seiner „Staatserklärung“, wird dies in Israel als Wahlhilfe für die „Linke“, von den Palästinensern dagegen als Schwäche ausgelegt. Ministerpräsident Netanjahu wird sich dagegen jede Verschiebung, wie sie jetzt offiziell von der US-Regierung gefordert wird, als Erfolg an seine Fahne heften. Härte und Unnachgiebigkeit hätten sich bewährt, so die absehbare Argumentation.

In Israel sind alle Parteien, ob Linke, Mitte oder Rechte, nach rechts gerückt. Die Grenzen von 1967, die den Palästinensern wenigstens 23 Prozent des ehemaligen Mandatsgebietes Palästina geben würden, sind obsolet. Maximal elf Prozent will Israel ihnen zugestehen. Die Golan-Höhen sollen Verhandlungsmasse sein, aber nicht vollständig. Und das auch nur nach einem Referendum und einer absoluten Mehrheit in der Knesset. Die wichtigsten Siedlungen und Gebiete will Israel behalten, verkauft wird dies jetzt auch von der Arbeits- und Zentrumspartei als „Kompromiß auf dem Golan“. Und natürlich würde jede israelische Regierung gern über einen Rückzug aus dem Südlibanon verhandeln, wo die Hisbollah der israelischen Armee zusetzt wie keine andere Guerilla.

Während alle Umfragen immer noch eine Mehrheit der israelischen Gesellschaft für die Fortsetzung des Friedensprozesses ausmachen, driftet deren politische Vertretung nach rechts. Und das in fast allen Parteien. Israels Politikern fehlt es an Mut. Und das ist tragisch, solange sie einen palästinensischen Partner haben, der den Frieden als strategische Option bezeichnet. Wenn Politiker einen Führungsanspruch reklamieren, aber keine eigenen Positionen entwickeln, die einen Weg in die Zukunft weisen könnten, dann ist ein Land führungslos.

Nichts bringt dies mehr zum Ausdruck als die absehbare Zersplitterung der Parteienlandschaft in der nächsten Knesset, wo statt bisher elf 15 oder 20 Parteien vertreten sein werden. Der „klassische Zionismus“ ist als Idee perdu, der religiös begründete orthodoxe Judaismus in seinen unterschiedlichsten Formen umstritten. Es bleibt nur das Land, das keiner hergeben will. Diese Politik wird ihren Preis fordern, früher oder später. Georg Baltissen