Der WAAhnsinn darf doch weitergehen

■ Bundeskanzler Schröder und die Energiekonzerne feiern den erfolgreichen Auftakt ihrer Konsensgespräche: Das Verbot der Wiederaufarbeitung verschwindet aus dem neuen Atomgesetz. Die Bündnisgrünen drucksen rum

Berlin (taz) – Es wird keinen festen Termin für das Ende der Wiederaufarbeitung geben. Das stellte Bundeskanzler Schröder gestern gemeinsam mit dem Sprecher der Atomkonzerne in Bonn klar. Damit ist Umweltminister Jürgen Trittin (Bündnisgrüne) mit seinem Vorhaben erst einmal gescheitert, durch eine Neufassung des Atomgesetzes die Plutoniumwirtschaft in Deutschland zum 1. Januar 2000 zu beenden. Gestern vormittag hatten sich die Bundesregierung und die Konzernchefs der großen Stromkonzerne zum ersten offiziellen Gespräch zum Atomausstieg getroffen. Danach zeigten Gerhard Schröder und der Sprecher der AKW-Betreiber, Manfred Timm von den Hamburgischen Electricitäts-Werken (HEW), große Übereinstimmung. Das Ende der Wiederaufarbeitung solle nun für jede Anlage einzeln gefunden werden. Erst wenn ein Zwischenlager in unmittelbarer Nähe eines Atomkraftwerks fertiggestellt ist, soll für diesen Meiler die Wiederaufarbeitung gestoppt werden – und zwar „so schnell als möglich“, so der Kanzler gestern. Regierung und Stromerzeuger kündigten die Einsetzung einer Arbeitsgruppe an, die für jedes Atomkraftwerk einzeln das Ende der Wiederaufarbeitung festlegen soll. Die Atomtransporte zu den WAA laufen also weiterhin – nur um den deutschen AKW- Betreibern einen Entsorgungsnachweis zu liefern.

Schröder nannte es „objektiv unmöglich, zu sagen“, wann die Wiederaufarbeitung endgültig gestoppt sei. Timm zeigte sich bereit, auch über Restlaufzeiten von Atomkraftwerken zu reden. Zwar halte es seine Branche für einen Fehler, aus der Kernenergie auszusteigen. Aber auch die Energieversorger seien Demokraten. Beide nannten das Gespräch sachlich und einigungsorientiert. Ein neuer Gesprächstermin wurde für Anfang März vereinbart. Dann sollen auch die Restlaufzeiten der AKW besprochen werden.

Die Grünen versuchten gestern, die Niederlage ihres Umweltministers mit Fassung zu tragen. Von Ultimaten oder Drohungen war nichts zu hören. In einer Fraktionssitzung meinte Trittin, er habe vor der Wahl gestanden, alles zu verschieben oder anlagenbezogen zu arbeiten. Er hofft nun – da angeblich nur vier von 19 AKW in Deutschland Probleme mit der Zwischenlagerkapazität an ihrem Standort haben, den ursprünglichen Zeitplan zum Ende der Plutoniumwirtschaft wenigstens zum großen Teil einzuhalten.

Auch Joschka Fischer nannten es wie vorher schon Trittin eine „Zäsur“, daß sich die Industrie auf Ausstiegsverhandlungen überhaupt einlasse, und plädierte für einen „Konsensweg“. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Kristin Heyne, sagte allerdings, falls der Termin für den geplanten Stopp der Wiederaufarbeitung noch vier bis sechs Jahre auf sich warten lasse, „kann ich mir nicht vorstellen, daß wir damit leben können“. Das Ende der Wiederaufarbeitung sei für die Grünen ein „Identitätsthema“.

Die Basis war gestern vor Ort. Von Robin Wood über Greenpeace zur BI Lüchow-Dannenberg aus dem Wendland – mehrere hundert Anti-Atom-Leute fuhren nach Bonn, um gegen einen Konsens mit langen Restlaufzeiten zu demonstrieren. Der BUND wertete die Ergebnisse der ersten Konsensrunde als Sieg der Atomwirtschaft. Einige Aktivisten besetzten kurz die SPD-Zentrale. In Berlin belagerte das Anti-Atom-Plenum die Geschäftsstelle der Bündnisgrünen.

Ganz anders sah die Opposition im Bundestag die Sache: Die unterschiedlichen Haltungen von Bundeskanzler Schröder und Umweltminister Trittin zum Atomausstieg seien nur vorgetäuscht. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Glos, sprach am Dienstag in Bonn von einem „abgekarteten Spiel“. Dahinter stecke die Absicht, den „exkommunistischen Wadlbeißer“ Trittin mit Maximalforderungen vorzuschicken, um anschließend Dankbarkeit beim Verhandlungspartner für kleine Zugeständnisse auszulösen. rem/BG

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