Geste vor Inhalt

■ Das neue Din-A6-Heftchen „trojan.horse“ will Themen, Termine und Lifestyle bevorzugt für eine radikale Linke anbieten

Radikal, aber gegenwärtig soll sie sein, die Linke neuen Typs, die sich das „Wunderbar“-Verlagskollektiv aus Berlin als Zielgruppe vorstellt. Seit Anfang Januar erstellt dieses Kollektiv, ein gutes Dutzend BlattmacherInnen mitsamt Assoziierten, einen Terminkalender im mittlerweile handelsüblichen A6-Format, trojan.horse mit Namen. Zunächst war er vollmundig in 5.000er Auflage im 14täglichen Turnus angekündigt worden, jetzt wurde er ganz realistisch auf monatliches Erscheinen umgestellt.

Warum sich das Heft in Format und Druckqualität auf einen Markt begibt, der von Livestyle- Heftchen wie Flyer,partysan berlin oder giveaway bereits groß bedient wird, erklärt der verantwortliche Redakteur, Benjamin Hickethier, ganz selbstsicher so: Wie der Name bereits andeute, solle sich das Heft wie ein Trojanisches Pferd verhalten und den Leuten neben Tips zum Tanzen und den Musikrezensionen eben auch Themen und Termine der radikalen Linken nahebringen. Daher stelle man sich bewußt in eine Reihe der Obengenannten und verzichte auf die klassischen linken Verbreitungsarten mit Siebdruck und Fotokopie.

Inhaltlich ist das Heft weniger entschlossen. Die erste Ausgabe ist ein einziges Sammelsurium. So werden zum einen jede Menge Grüße losgelassen, die von Interim über Mr Dead & Mrs Free bis hin zu einer Anna reichen. Auf einer Seite wird gleichzeitig das internationalistische Camp 99 und eine Busfahrt mit dem 148er empfohlen, und auch das hiesige Lodown- Mag für Skater kommt nicht zu kurz.

In punkto Schreibqualität läßt die Ausgabe schlicht zu wünschen übrig, und aufgrund der allzu privaten Fragestellung in Interviews ist der Informationsgehalt ganzer Seiten gleich Null. Schaut man sich die zweite Nummer an, die bislang nur in Druckfahnen vorliegt, ergibt sich folgendes Bild: Die Klientel dieser „Zeitschrift für die Spaßguerilla“ findet sich eher im Maria am Ostbahnhof als im Ex, ist mehr an Pop als an Theorie interessiert, und „links“ ist für sie eher Geste als Inhalt und vermittelt sich über die richtigen Orte und Bekannten. Zudem ist das Heft mit seinen ewigen Frauenicons und Grüßen an die Liebste gräßlich jungslastig.

Allerdings wird das Bemühen erkennbar, es besser zu machen als die Genossen von gestern. Und auch wenn es, wie soll es anders sein, bereits bei der zweiten Nummer finanziell schwer kriselt, könnte das Heft überleben. Mehr Anzeigen als das bereits wieder eingegangene Multikulti-Blatt Visum hat es jedenfalls gleich von Anfang an. Jörg Sundermeier