Azubis sind plötzlich gesucht

Die ersten Jugendlichen haben schon Ausbildungstellen im 100.000er-Programm der Bundesregierung bekommen. Die Nachfrage ist geringer als das Angebot  ■ Von Hannes Koch

Endlich eine Ausbildungsstelle! Endlich ein Platz an der Werkbank, ein Stück Stahlblech zum Feilen. „Zu Hause rumhängen“ – dazu hat der stämmige 18jährige Berliner mit der Basecap keine Lust. „Ist langweilig“, sagt Ilkan Öger. Im Sommer vergangenen Jahres machte er den Realschulabschluß, die ersten Prüfungen an der Berufsschule schaffte er nicht. Der Weg zu Geld und Auto schien schon blockiert.

Dann kam der Brief vom Arbeitsamt – kurz vor Weihnachten. Anderthalb Wochen später ging Ilkan zum Informationstermin, vor wenigen Tagen begann die Ausbildung im Sofortprogramm „100.000 Jobs für Junge“ der Bundesanstalt für Arbeit und der rot-grünen Bundesregierung. Jetzt fräst, feilt und bohrt Ilkan Öger zusammen mit 17 anderen Jugendlichen in einer öffentlich finanzierten Ausbildungswerkstatt im Berliner Bezirk Neukölln. Vom Nichts zum angehenden Elektroinstallateur – die Rettung! „Jeder, der jetzt einen Ausbildungsplatz haben will, bekommt garantiert einen“, schwärmt Brigitte Zabel, Beraterin beim Arbeitsamt Berlin-Süd.

Doch nicht jeder will eine Stelle. Diese erstaunliche Erfahrung machen die Leute vom Arbeitsamt, seit sie aus dem Vollen schöpfen können. 841 KandidatInnen ohne Ausbildung hatten Zabel und ihre KollegInnen angeschrieben, angesprochen, beknetet.

314 Jugendliche wurden bislang in mehrwöchigen Trainingsmaßnahmen untergebracht, die handwerkliche Grundkenntnisse und Arbeitsdisziplin für die am 1.März beginnende dreijährige Ausbildung vermitteln. Zwar steigt die Zahl der Vermittelten täglich an, doch das Mißverhältnis zwischen dem großem Angebot der Arbeitsämter und einer wesentlich geringeren Nachfrage seitens der Jugendlichen ist offenkundig. Nicht nur weitere Ämter in Berlin berichten darüber, sondern auch Vermittler anderer Bundesländer.

Über die Ursachen können Zabel und ihre KollegInnen nur spekulieren. Denn die Jugendlichen, die nicht zum Infotermin kommen, kann man nicht befragen. „Angst, eine ernsthafte Verpflichtung über drei Jahre einzugehen“, lautet ein Erklärungsversuch. Die demotivierende Abwärtsspirale aus schlechtem Schulabschluß, erfolgloser Bewerbung und sinkendem Selbstbewußtsein bemüht Sozialpädagoge Matthias Klett, der die Trainingsgruppe von Ilkan Öger beim Ausbildungsträger Bildungswerk Neukölln betreut. Der Azubi selbst sieht die Lage schlichter: „Wer nicht kommt, ist faul und pennt lieber aus.“

Dabei ist der Weg ins Arbeitsleben so geebnet wie selten. „Ein segensreiches Programm“, nennt Arbeitsvermittlerin Zabel die Initiative. Das Amt kann so ziemlich alles finanzieren, was es will. 43 Millionen Mark stehen allein beim Arbeitsamt Berlin-Süd auf dem Konto und harren der Ausgabe. Das bundesweite Füllhorn enthält zwei Milliarden Mark für dieses und weitere 1,15 Milliarden für die beiden Folgejahre. Weit mehr als die offiziell 31.000 bundesweit registrierten, ausbildungslosen Jugendlichen könnten so eine Azubi- Stelle oder einen Arbeitsplatz bekommen.

Jugendliche wie Ilkan Öger gelten im Jargon der öffentlichen Ausbildungsträger als die „erste Welle“. Ihnen bescheinigt man hohe Motivation und vergleichsweise gute Chancen, aus den staatlich finanzierten Werkstätten in einen Handwerksbetrieb der Wirtschaft hinüberzurutschen. Jedes Jahr gelingt es nach Aussagen der Mitarbeiter dem Bildungswerk Neukölln, 20 Prozent der Schutzbefohlenen auf dem ersten Arbeitsmarkt unterzubringen.

Wer übrig bleibt, bekommt nach der Ausbildung keinen Job und landet wieder beim Amt. Dieses Schicksal dürfte auch vielen drohen, die als zweite oder dritte Welle ins 100.000er-Programm eintreten. Dank SPD-Arbeitsminister Walter Riester können alle, die 1998 ohne Ausbildung waren, diesen Sprung bewältigen, doch die nächsten Schritte bleiben so schwierig wie zuvor.