Es war keine leichte Arbeit

■ Eine Dokumentation über drei SS-Männer, die in Auschwitz mordeten, verzichtet auf alles, was Fernsehfilme über den Holocaust sonst so peinlich macht ("Drei deutsche Mörder", 23 Uhr, ARD)

Was geschah, wenn ein Transport in KZ Auschwitz ankam? Als erstes wurde die Lokomotive abgekoppelt. Dann wurden die Menschen aus den Viehwaggons herausgelassen und gezählt. Das Wachpersonal mußte die Zahl in Formularen eintragen und ihren Vorgesetzen übergeben. Bei den Schutzhäftlingen galt es die Habe aufzunehmen, bei den anderen nicht.

Dann mußten sich die Häftlinge in Reihen aufstellen und wurden an der Rampe beim diensthabenden Arzt vorbeigeführt, der die Häftlinge selektierte. „Dreißig Prozent zur Arbeit, siebzig in die Gaskammer“, sagt Josef Erber, SS-Oberscharführer in Auschwitz. Das ging ruhig vonstatten. Fast ohne Gewaltanwendung. „Es ist nie ausgeartet“, sagt Erber. Jene, die in die Gaskammer kamen, wurden nochmals gezählt. Man achtete auf Ordnung. Erber: „Berlin verlangte von uns, daß haargenau gezählt wurde.“

Die Dokumentation „Drei deutsche Mörder“ zeigt, wie der Alltag in Auschwitz aus der Sicht der SS- Männer aussah. Es war keine leichte Arbeit. „Mich hat der Dienst angekotzt“, sagt Josef Klehr, SS-Sanitäter, dessen Aufgabe es war, Häftlinge mit einer Spritze ins Herz zu töten. „Aber was sollte man machen?“ fragt Klehr. Die Häftlinge waren doch immerhin „sofort tot“, anders als in der Gaskammer. Außerdem war man eingeteilt. Man mußte gehorchen. Schön war das nicht. Aber es gab einen Dienstplan.

Alle drei, Erber, Klehr und Oswald Kaduk, wurde 1965 im Frankfurter Auschwitzprozeß zu lebenslanger Haft verurteilt. Ebbo Demant hat diese drei Interviews ineinandergeschnitten und dabei auf alles verzichtet, was die meisten TV-Sendungen über den Holocaust so erbärmlich aussehen läßt: die Leichenbergbilder, die auf platten Schock spekulieren, dräuende Synthesizerhintergrundmusik, Moral im Übermaß, didaktische Erklärung. Demant will wissen, wie es war: Was war eine Selektion? Wohin kam die Asche? Haben sich viele Häftlinge umgebracht? Was geschah mit den Leichen, bevor die Krematorien gebaut wurden?

„Drei deutsche Mörder“ läßt viel Raum für Selbstbeschreibungen der SS-Männer. So hört man immer wieder, wie undankbar es war, in Auschwitz zu arbeiten. Oswald Kaduk, SS-Rapportführer, weiß, daß er bei den Häftlingen „unbeliebt“ war. Aber die „Verbote waren einzuhalten“. Und: „Ich mußte sie schlagen. Sollte ich die Häftlinge etwa mit Glacéhandschuhen anfassen?“

Fragen nach Reue und Verantwortung sind eher spärlich. Sind sie schuldig geworden? fragt Demant Kaduk, einen der berüchtigsten Schläger im Lager. Es folgt eine bizarre Rechtfertigung: Ist Gewalt nicht ein Weltproblem? War damals nicht Krieg? War es nicht einfach Pech, daß wir den Krieg verloren haben? Und ein Autofahrer, der jemanden überfährt: Ist das etwa christlich? Der Massenmord als Verkehrsunfall. „Verfolgt der Geruch von Auschwitz Sie heute noch“, fragt Demant am Ende Josef Erber, der über Auschwitz redet wie ein Zeuge: kühl, präzise, unbeteiligt. Erber zögert einen Augenblick. Dann sagt er: „Wir konnten nichts ändern.“

Keine Erklärung. Kein Deshalb. Nur Dienstpläne. Stefan Reinecke