"Rau ist besser als Schipanski"

■ Eigentlich wollten die SPD-Frauen mindestens eines der höchsten Staatsämter mit einer Frau besetzt sehen. Inge Wettig-Danielmeier, Vorstandsmitglied der SPD, erklärt, warum sie trotzdem einen Mann zum Bunde

taz: Am 23. Mai kandidieren für das höchste Amt der Bundesrepublik Ihr Parteifreund Johannes Rau und die von der Union nominierte Dagmar Schipanski. Wem werden Sie ihre Stimme geben?

Inge Wettig-Danielmeier: Ich werde wohl für Herrn Rau stimmen.

Daß Sie Dagmar Schipanski nicht wählen würden, war doch schon klar, bevor Sie überhaupt wußten, daß es die Frau gibt, oder?

Ich weiß, daß es diese Frau gibt, seit sie Vorsitzende des Wissenschaftsrats war. Weil sie über diesen Bereich hinaus nicht bekannt geworden ist, kenne ich sie nicht gut genug. Aber angesichts ihrer politischen Grundhaltung werde ich lieber Rau wählen.

Wie hätte denn eine Kandidatin sein müssen, die Sie Johannes Rau vorgezogen hätten?

Ich kann mir nur anhand von konkreten Personen etwas vorstellen, und da ist Rau besser. Außerdem hat er in der Frage, in der ich besonders engagiert bin, eine beachtliche Bilanz vorzuweisen: in der Frage der Gleichstellung von Mann und Frau. Da hat er in Nordrhein-Westfalen doch einiges geschaffen.

Sie wollen damit sagen, ein Mann als Bundespräsident kann die Gleichberechtigung besser vorantreiben als eine Frau?

Grundsätzlich würde ich das nicht sagen. Aber wenn ich zwischen Herrn Rau und Frau Nolte wählen müßte, würde ich selbstverständlich Herrn Rau wählen.

Sie müssen aber zwischen Johannes Rau und Dagmar Schipanski wählen.

Bei ihr kann ich das nicht so genau sagen, weil ich ihr Programm gar nicht kenne. Sie hatte einfach keine Chance, das darzulegen. Und sie wird auch leider bis zum Mai keine Chance haben, das zu demonstrieren, was sie vielleicht vorhätte. Aber das höchste Amt im Staat ist keine Lehrstelle.

Die FDP-Politikerin Hildegard Hamm-Brücher, die selber einmal für das höchste Amt der Bundesrepublik kandidiert hat, sagt, Schipanski habe das Zeug zur Bundespräsidentin. Kennt sie Frau Schipanski denn schon besser als Sie?

Die FDP war sehr lange mit der CDU verbündet. Natürlich ist es auch richtig, daß eine Frau als Kandidatin für viele attraktiv ist. Aber ich möchte schon jemanden, der für sozialdemokratische Grundsätze steht.

Im Oktober haben die SPD- Frauen noch verkündet, Raus Wahl sei gefährdet, wenn es keine Präsidentin des Bundestages geben sollte. Nun ist Wolfgang Thierse Parlamentschef, und Sie wollen Johannnes Rau trotzdem zum Bundespräsidenten machen. Wie kommt das?

Es ist schon richtig, daß ich mich für eine Frau als Bundestagspräsidentin eingesetzt habe, weil absehbar war, daß Rau für das andere Amt nominiert werden würde. Ich hätte gerne auch in beiden Positionen eine Frau gesehen. Aber da haben die Gremien eben anders entschieden.

Sie haben im Oktober gesagt: Wenn ein Mann Bundestagspräsident wird, ist der Druck der SPD- Frauen so groß, daß es schwer sein dürfte, Rau zum Bundespräsidenten zu machen. Wo ist nun der Druck?

Es hat Diskussionen gegeben, und die SPD hat Johannes Rau nominiert. Nun haben wir zwischen Rau und einer Kandidatin zu wählen, die uns nicht nahesteht. Deshalb ist das für die SPD-Frauen kein Problem.

Wenn das jedesmal so läuft, können Sie ja lange warten.

Es ist schade, daß im Moment an der Spitze keine Frauen stehen. Das bedauere ich auch sehr. Aber immerhin spielen die Frauen in der Bundesregierung und in der SPD- Fraktion eine größere Rolle als jemals zuvor.

Sie haben jetzt eine einmalige Chance, einmal schneller zu sein als die Männer: Verlangen Sie, daß Johannes Rau eine Frau nachfolgt!

Natürlich werden wir uns dafür einsetzen, daß die Spitzenpositionen das nächste Mal anders vergeben werden und daß der nächste Bundespräsident eine Bundespräsidentin ist. Darum werden wir uns kümmern.

So wie dieses Mal?

Also wissen Sie, über Kandidaturen in fünf Jahren unterhalte ich mich nicht. Politik ist ein kompliziertes Geschäft. Da ändert sich vieles rasend schnell. Interview: Georg Löwisch