US-französischer Stellvertreterkrieg

■ Französische und US-amerikanische Zeitungen streiten um die Umstände des Massakers an 45 Albanern im Dorf Racak in Kosovo durch serbische Polizisten vor zwei Wochen. Belgrad verhindert weiter eine unab

Washington/Pristina (AFP/rtr/ taz) – Der Verdacht, wonach die 45 Mitte Januar ermordeten Kosovo- Albaner im Dorf Racak Opfer einer gezielten Racheaktion der Serben waren, hat neue Nahrung erhalten. Einem Bericht der Washington Post zufolge soll ihre Erschießung von führenden serbischen Politikern befohlen worden sein, die dann versuchten, das Massaker zu vertuschen. Die Zeitung berichtete gestern über entsprechende Mitschnitte von Telefongesprächen zwischen dem serbischen Vize-Ministerpräsidenten Nikola Sainović in Belgrad und Innenminister General Sreten Lukić im Kosovo. Sie sollen westlichen Regierungen vorliegen.

In einem Fall erkundigte sich Sainović demnach, wie viele Leute bei dem Angriff getötet wurden. Vor dem Hintergrund von Artilleriefeuer und Schüssen aus Maschinengewehren habe Lukić geantwortet, es seien bisher 22. In den darauffolgenden Tagen hätten die beiden Serbenführer sich besorgt über die internationale Empörung gezeigt und überlegt, wie das Massaker vertuscht werden könne. Dem Zeitungsbericht zufolge sollte das Massaker als erbittertes Gefecht dargestellt werden.

Der Bericht der Washington Post folgt auf Berichte französischer Medien über mögliche Ungereimtheiten im Fall Racak. Die Tageszeitungen Libération und Le Monde berichteten in der vergangenen Woche über Augenzeugenberichte eines Kamerateams des US-Senders APTV, das auf Einladung der Serben am fraglichen Abend vor Ort gewesen sei. Sie hätten in Racak ein leeres Dorf angetroffen und Kämpfe in den umliegenden Wäldern mitbekommen. Die Rolle der OSZE nach dem Massaker sei unklar: Laut eigenen Aussagen der OSZE und von Dorfbewohnern sollen einige Beobachter vor Ort gewesen sein, die darüber informiert wurden, daß 24 Personen abgeführt worden seien. Warum aber, fragte Libération, teile die OSZE nicht mit, woher sie diese Informationen erhalten habe und wer die fraglichen Beobachter gewesen seien? Und Le Monde wunderte sich, wieso „so wenig Blut“ um die im Graben gefundenen Leichen gewesen sei – deute dies nicht auf eine Inszenierung hin?

Bereits wenige Tage nach dem Vorfall hatte das serbische Informationsministerium die These verbreitet, die kosovoalbanische Befreiungsarmee (UCK) hätte die Toten umgekleidet. Der serbischen Darstellung zufolge waren die in Racak Getöteten keine Zivilisten, sondern Kämpfer der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK), die bei Gefechten starben. Der jugoslawische Minister für Arbeit, Wirtschaft und Soziales, Miodrag Kovać, sagte, die Leichen aus Racak hätten Wunden aufgewiesen, die ihnen von Feuerwaffen aus größerer Entfernung beigebracht worden seien. Es gäbe keine Spuren, die auf ein Massaker hindeuteten.

Daß die serbischen Gerichtsmediziner partout keine Indizien finden können, die den Verdacht eines Massakers erhärten, verwundert kaum. Demgegenüber meldete Helena Ranta, Leiterin des finnischen Untersuchungsteams, das mit zwei Tagen Verspätung zu den Autopsien hinzugezogen worden war, hinsichtlich der serbischen Ergebnisse Bedenken an. Ranta begründete dies mit dem mehrfachen Transport der Leichen. Die Massaker, so Ranta gegenüber dem Belgrader Radiosender B92 würden möglicherwiese nie aufgeklärt. Am Mittwoch hatte der serbische Gerichtsmediziner Branimir Aleksandrić, der an der Autopsie der Toten beteiligt war, ausgeschlossen, daß an den Leichen herummanipuliert worden sei. Solche Vorwürfe seien unbegründet.

Die Chefanklägerin des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, Louise Arbour, der in der vergangenen Woche die Einreise ins Kosovo verweigert worden war, forderte gestern sofortige Maßnahmen, um die serbischen Behörden zur Zusammenarbeit zu veranlassen. „Ich bin rechtmäßig dazu befugt, dieses Massaker zu untersuchen“, sagte sie. Ob sich Belgrad davon beindrucken läßt, ist fraglich. bo