EU-Parlament fordert Platz für Hühner

■ Legehennen sollen auf dem Boden gehalten werden. Deutschland geht das zu weit, Südeuropäer sehen keinen Grund für Veränderung

Berlin (taz) – Wenn es um das Wohl der 250 Millionen Hühner in der Europäischen Union geht, mahlen die Brüsseler Mühlen langsam. Mit fünf Jahren Verspätung legte die Kommission im vergangenen Jahr einen Vorschlag vor, wie die Richtlinie für die Haltung von Legehennen verbessert werden könnte. Nach einer Übergangsfrist bis zum Jahr 2009 sollten alle Hennen eine Stange, ein Nest und eine Scharrmöglichkeit in ihrem Käfig oder mindestens 800 Quadratzentimeter Platz haben – das sind immerhin 350 Quadratzentimeter mehr als gegenwärtig.

Das EU-Parlament forderte gestern eine Verbesserung des Vorschlags: Ab 2009 sollen alle Hühner in der EU auf dem Boden leben und scharren dürfen. „80 Prozent der Verbraucher mißbilligen die Käfighaltung“, zitiert die bündnisgrüne EU-Parlamentarierin Hiltrud Breyer entsprechende Umfragen. Doch erdnah werden die Hühner wohl nicht leben. Denn die deutsche Ratspräsidentschaft hat einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, der den Hennen in Legebatterien nur eine geringe Erleichterung ihres Daseins verschaffen würde: 550 Quadratzentimeter Platz sollen jedem Tier nach einer Übergangszeit von fünf Jahren zustehen. Wo bisher fünf Hennen zusammenhockten, sollen es künftig nur noch vier sein. Und erst nach zwölf Jahren gibt es dann für die Tiere auch Stangen, Nester und Scharrmöglichkeiten.

Bis zum Sommer will die Bundesregierung die Richtlinie durch den Ministerrat gebracht haben. „Auch Deutschland will eigentlich mittelfristig einen europaweiten Ausstieg aus der ganzen Käfighaltung“, sagt Karin Schwabenbauer, Leiterin des Tierschutzreferats im Landwirtschaftsministerium.

In der Schweiz gibt es seit 1992 ein entsprechendes Verbot. Österreich, Schweden, Dänemark und Finnland wären wohl ebenfalls für die artgerechte Bodenhaltung zu gewinnen. Doch europaweit ist ein solcher Vorschlag nicht durchsetzbar, weil Griechenland, Italien, Portugal, Frankreich und Belgien am liebsten gar nichts ändern würden.

Ein deutscher Alleingang aber würde den Hühnern nicht viel nützen, sagt Schwabenbauer. „Die Eierwirtschaft würde ins Ausland gehen und wir hätten gar keinen Einfluß mehr.“ Hoffnung für die Hühner, die auch hierzulande zu über 90 Prozent in Legebatterien leben und häufig nur durch permanente Fütterung mit Antibiotika bei Kräften gehalten werden, gibt es aber möglicherweise in den nächsten Monaten. Im Februar oder März will das Bundesverfassungsgericht eine seit Jahren vorliegende Normenkontrollklage von Nordrhein-Westfalen beraten. Die Landesregierung in Düsseldorf argumentiert, daß die Hennenhaltungsverordnung dem deutschen Tierschutzgesetz widerspricht.

Darin heißt es, daß ein Halter „das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen“ muß. Birte Hubeny vom Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung hält ausschließlich Freilandhaltung für artgerecht: „Hühner haben natürlicherweise ein großes Bewegungsbedürfnis und wollen im Staub scharren und baden.“ Annette Jensen