Der Staatsverunglimpfung verdächtigt

■ Die Staatsanwaltschaft Kiel ermittelt gegen eine Zeitschrift, die sich kritisch mit dem Tod des RAF-Mitglieds Grams beschäftigt hat

Bonn (taz) – Die Staatsanwaltschaft Kiel hat gegen die Zeitschrift Die Rote Hilfe ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Verunglimpfung des Staates und seiner Behörden eingeleitet. Anlaß ist nach Angaben der Herausgeber, des Bundesvorstandes der Roten Hilfe e. V., der Nachdruck eines Textes, der sich kritisch mit den bis heute nicht vollständig geklärten Umständen des Todes des RAF-Mitglieds Wolfgang Grams beschäftigt.

Wolfgang Grams war bei einem katastrophal fehlgeschlagenen Festnahmeversuch am 27. Juni 1993 in Bad Kleinen (Mecklenburg-Vorpommern) ums Leben gekommen. Seine Begleiterin Birgit Hogefeld wurde festgenomen, der V-Mann des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes, Klaus Steinmetz, der die Ermittlungsbehörden zu dem Treff mit dem RAF-Pärchen gebracht hatte, bei dem Einsatz der Bundesgrenzschutzsondereinheit GSG 9 enttarnt. Auch der GSG-9-Beamte Michael Newrzella wurde bei der Polizeiaktion erschossen. Anlaß für das bereits im vergangenen November eingeleitete Ermittlungsverfahren ist weniger der Inhalt des Textes, der zuvor unbeanstandet in der Zeitschrift Anschlag der „Antifaschistischen Liste an der Uni Göttingen“ erschienen war. Die Staatsanwälte stören sich vielmehr an der dem Nachdruck vorangestellten Einleitung. Darin heißt es, „daß für einen nicht unbedeutenden Teil der (nicht nur) deutschen Öffentlichkeit damals kein Zweifel daran bestand, daß Wolfgang Grams am 27. Juni 1993 durch Beamte der GSG 9 auf den Gleisen des Bahnhofs Bad Kleinen exekutiert wurde“. Auch ist von „Lügen und Vertuschungen seitens des Staates“ die Rede.

Die Staatsanwaltschaft Kiel folgert nun, mit diesen Äußerungen werde „der Staat der bewußten Verheimlichung eines angeblich seitens seiner Amtsträger ausgeführten Mordes bezichtigt und damit böswillig verächtlich gemacht“.

Die Umstände des Todes von Grams sind allerdings bis heute nicht widerspruchslos geklärt. Selbst ein Bericht der Bundesregierung zu den Vorgängen in Bad Kleinen listet eine ganze Latte von Pannen und Versäumnissen bei der Spurensuche am Tatort auf. In einem von der Familie Grams angestrengten Zivilverfahren stellte das Landgericht Bonn fest, daß sich der genaue Hergang des Polizeieinsatzes nicht mehr rekonstruieren lasse. Wolfgang Gast