Hessens CDU im Sortierrausch

■ Die Union hat gestern den hessischen Rücklauf ihrer Doppelpaß-Aktion präsentiert: 212.000 Unterschriften. Umfragen sehen rot-grün weiter vorn

Wiesbaden (taz) – Das silberne Kruzifix an der Wand im dritten Stock der CDU-Parteizentrale in Wiesbaden verschwindet ganz hinter den aufgetürmten, gelben Postplastikkästen. Der Heiland hängt neben dem Plakat „Hart durchgreifen“. Am Tisch wird emsig feinsortiert. Die Postkarten auf den einen, die Briefe auf den anderen, die Unterschriftenlisten auf einen dritten Stapel.

Gezählt wird mit Strichlisten, abgeheftet in Ordnern, pro Stück 20.000 Unterschriften. Stolz präsentiert der Parlamentarische Geschäftsführer der Landtagsfraktion, Franz Josef Jung, den papierenen Rücklauf der vor zwei Wochen in Hessen begonnenen Unterschriftenaktion gegen die Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft: „Ein überwältigendes Ergebnis!“

An den Ständen in den Städten sind bis gestern Vormittag 170.000 Unterschriften zusammengekommen. An diesem Wochenende sollen mobile Sammelwagen auch durch die Dörfer des Landes rollen.

Die vorige Woche in die Briefkästen geworfenen eine Million Antwortkarten mit dem Konterfei des Spitzenkandidaten Roland Koch hatten bisher einen Rücklauf von 42.000. Manche sind offen unterschrieben, andere in anonymisierende Briefumschläge gesteckt, einige von den Rücksendern in der Firma freigestempelt, manche in Geschäftskuverts eingetütet. Ein besonders dickes Listenpaket steckt ausgerechnet in der braunen Hülle der SPD-nahen Arbeiterwohlfahrt. Auf einer Sendung steht mit dickem Filzstift geschrieben: „Danke, CDU!“

Jung sonnt sich in dieser Zustimmung und möchte nichts hören von der neuesten Meinungsumfrage von Infratest dimap, die Rot-Grün in Hessen weiter vorne sieht. Seine Partei sackte mit einem Verlust von 1,5 auf 37,5 Prozent ab, den Grünen und der FDP werden für den Wahlsonntag am 7. Februar Stimmenzuwächse von je einem Prozentpunkt prognistizert.

Das Umfrageergebnis, so Jung, habe mit der Unterschriftenaktion nichts zu tun, die die CDU schließlich unabhängig von hessischen Wahlkampf bundesweit betreibe. Auf den beiden großflächigen Abschlußplakaten der Wahlkampfkampagne der Union steht allerdings unübersehbar zu lesen: „Ja zur Integration, Nein zur doppelten Staatsbürgerschaft.“ Heide Platen