■ Querspalte: Von Braunau nach Braunschweig
Der CDU/CSU fehlen überzeugende Argumente gegen den Gesetzentwurf zum Staatsbürgerrecht. Daß die Sache bedrohlicher fürs Vaterland ist als die RAF... na, wenn es der Wahrheitsverschleierung dient, mag Stoiber selbst dieser Vergleich nicht peinlich sein.
Subtiler freilich wäre ein Hinweis gerade von rechter Seite auf den deutschen Saddam, auf den Mann, der in jedem Fragebogen vorkommt als schrecklichste Gestalt in der Geschichte. Wenn Hitler sogar nach dem alten Recht die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen konnte, wie viele Hitlers wird es dann erst nach Einführung eines liberaleren geben?
Schauen wir nach Braunschweig. Dort, wo Stendhal „Holzstücke, Fleischklumpen ohne Leben“ unter den Frauen ausgemacht hatte und von den Männern nichts Besseres zu erzählen wußte, dort kriegte Hitler seinen deutschen Paß. Und das kam so: Trotz einer vergleichsweise beständigen Regierung der Volkskommissare nach der Revolution entwickelte sich Braunschweig zu einem veritablen Vorposten der Nazis. Es war das erste Land, in dem die NSDAP ununterbrochen (seit Oktober 1930) an der Regierung beteiligt war. Dietrich Klagges, Minister für Inneres und Volksbildung, wollte Hitler zum außerordentlichen Professor an der TH Braunschweig machen, damit der staatenlose Postkartenmaler Deutscher werde. Eine Fachrichtung hatte Klagges sich auch ausgedacht: „Professor für organische Politik und Gesellschaftslehre“ sollte Hitler werden. Davon verstand er was.
Weil diese Ernennung scheitere, ernannte man „den Schriftsteller Adolf Hitler“ zum Regierungsrat. Einen schaleren Witz, als den, daß das Braunhemd aus Braunau, der später eine Braun ehelichte, in Braunschweig eingebürgert wurde, hat sich die Geschichte selten ausgedacht.
In der Gegend hat sich aber einiges geändert. Letzte Woche sollte unweit von Braunschweig ein Vietnamese abgeschoben werden, weil er beim Angeln ohne Angelschein erwischt worden ist. Dietrich zur Nedden
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