Kongo... find' ich gut!

■ Laurent-Désiré Kabila steht seinem Vorgänger Mobutu in nichts nach. Wie vor ihm der zairische Diktator behandelt der Präsident des Kongo sein Land wie einen Selbstbedienungsladen. Ein ehemaliger hochrangiger Mitarbeiter des früheren Buschkämpfers enthüllt das „System Kabila“.

Den Schlüssel zum Tresor in der „Hohen Kammer“ des Präsidentenpalastes in Kinshasa hat nur einer: Laurent-Désiré Kabila, Präsident der Demokratischen Republik Kongo. Er trägt ihn immer bei sich. Denn in diesem Tresor landet regelmäßig Geld – viel Geld.

Kabilas ehemaliger Finanzberater Michel Rudatenguha weiß noch gut, wie er einmal zusammen mit Oscar Mudaiyi, dem Kabinettschef im Wirtschaftsministerium, einen Haufen Scheine zählen mußte, die dann in der „Hohen Kammer“ verschwanden. Jeden Monat habe Staatsminister Victor Mpoyo dort ungefähr zwei Millionen Dollar abgeliefert, Einnahmen der größten staatlichen Diamantengesellschaft des Landes „Minière de Bakwangs“ (Miba). Und aus der kongolesischen Zentralbank habe der Präsident 45 Millionen Dollar bekommen – in bar, direkt von Zentralbankchef Jean- Claude Masangu. „Ich mußte die Quittung unterschreiben“, erinnert sich Rudatenguha. „Kabila selber wollte das nicht tun.“

Michel Rudatenguha, ein kongolesischer Ökonom und lange Zeit Weggefährte Kabilas, lebt heute als Flüchtling in Belgien. Während der Diktatur von Kabilas Vorgänger Mobutu im damaligen Zaire prangerte der Tutsi aus Kinshasa unter Pseudonym den organisierten Diebstahl an der Staatsspitze an. So wurde er von Kabila noch vor dessen Sieg als Berater eingestellt. Im August 1998, als der Bürgerkrieg im Kongo erneut ausbrach und Kabila zur Jagd auf Tutsi blies, flüchtete Rudatenguha sich in die belgische Botschaft und konnte im Dezember das Land verlassen. Nun macht der Träger der präsidialen Dienstnummer 000007 zum ersten Mal die Praktiken öffentlich, mit denen Kabila und seine Clique die Ausplünderung des Landes fortsetzen.

Am Anfang stand die Gründung einer Bank. Kurz nach Kabilas Machtergreifung am 17. Mai 1997 entstand in Kinshasa die „Banque du Commerce et du Développement“ (BCD), zu 40 Prozent im Besitz der „Compagnie Mixte d'Import-Export“ (Comiex). Die Comiex war Kabilas Privatfirma, mit der er während seiner Zeit als Buschrebellenchef im Osten Zaires 1967 bis 1986 seinen Lebensunterhalt und die Existenz seiner „Partei der Volksrevolution“ (PRP) finanzierte.

Offiziell gehört die Comiex der PRP. Ihr Kapital, so heißt es in einer Parteibroschüre aus der Zeit des Buschkrieges, stamme von Privathändlern, „deren Geschäfte wegen ihrer Ausbeutung der Bevölkerung in den befreiten Gebieten suspendiert sind“. Ehemalige Mitstreiter Kabilas aus dieser Zeit haben bestätigt, daß Kabila die Hälfte der Comiex-Einnahmen für sich behielt.

Die Comiex wurde während des Krieges gegen Mobutu immer reicher: Im April 1997, kurz nach der Einnahme der Diamantenfördergebiete der Miba durch Kabilas Truppen, überwies die Miba 3,5 Millionen Dollar auf das Comiex- Konto bei einer ruandischen Bank.

In der neugegründeten Bank BCD wurde ein Konto „PR“ eingerichtet – für „Präsident der Republik“. Hier landen offenbar Teile der Staatseinnahmen des Kongo – zum Beispiel, so Rudatenguha, mehrere Beträge von je einer Million Dollar, mit denen sich der Korruption beschuldigte ehemalige hohe Würdenträger des Mobutu-Regimes von juristischer Verfolgung freikaufen konnten. Was noch auf diesem Konto landet, ist Gegenstand von Spekulationen. Der geflohene Berater fragt sich in diesem Zusammenhang, wo die Erlöse aus dem Verkauf von Staatsanteilen an einigen kongolesischen Betrieben geblieben sein könnten.

Daneben hat Kabila lukrative Geschäftsinteressen. Einträgliche Teile der kongolesischen Wirtschaft sind in die Hände des Präsidenten geraten. Er und seine Familie besitzen eine Handelsfirma mit dem schönen Namen „Génération Sacrifiée“ (Gesac), auf deutsch „Geopferte Generation“, die aus Namibia Lebensmittel in den Kongo importiert und dafür über eine im Kongo einmalig hohe Kreditgarantie der Zentralbank in Höhe von 20 Millionen Dollar verfügt.

Interessante Konstruktionen sind entstanden, seit im August 1998 wieder Krieg ausgebrochen ist und Kabila seine Alliierten Angola, Simbabwe, Namibia und Tschad bezahlen muß, die ihn militärisch unterstützen. So gründeten die Regierungen des Kongo und Angolas Ende 1998 zur Treibstoffversorgung des Kongo die gemeinsame Ölfirma „Sonangol-Congo“, in der beide Partner jeweils die Hälfte der Anteile besitzen. Doch die Firma, so Rudatenguha, steht weder im Handelsregister, noch hat sie Angestellte oder ein Konto bei der Zentralbank wie andere Staatsbetriebe. Sie hat aber sehr wohl einen Umsatz und macht Profit. Einsicht in ihre Bücher haben lediglich zwei Menschen: Kabila und sein Staatsminister Victor Mpoyo, der bis Juni 1998 Minister für Wirtschaft und Öl im Kongo war. Mpoyo ist zugleich Generaldirektor der neuen Firma.

Die Kupfer- und Kobaltrechte der größten staatlichen kongolesischen Bergbaugesellschaft „Gécamines“ im Zentrum der Provinz Katanga wurden im vergangenen Jahr zu 80 Prozent an die simbabwische Firma Ridgepoint verkauft. Hauptaktionär der Firma: Der weiße Geschäftsmann Billy Rautenbach. Mitglieder des Aufsichtsrates: unter anderem Kongos Staatsminister Victor Mpoyo, dazu hohe Freunde von Simbabwes Präsident Robert Mugabe.

Rautenbach wurde zugleich Generaldirektor der Gécamines – offiziell, um sie zu sanieren. Nun gehen also alle Gécamines-Einnahmen zunächst an Rautenbach, der dann die Profite selbst zwischen seiner eigenen Firma Ridgepoint und der Gécamines aufteilen darf. Bisher sind keine Gécamines-Einnahmen auf den Konten der kongolesischen Zentralbank aufgetaucht, obwohl Ridgepoint schon im vergangenen September begann, Kobalt aus dem Kongo herauszuschaffen.

Die Bergbaufirmen des Kongo werden ausgequetscht wie Zitronen. Nach der Gécamines scheint die Diamantenfirma Miba das nächste Opfer zu sein. Sie kann ihre Angestellten längst nicht mehr bezahlen, obwohl ihre Diamantenförderung seit 1996 gestiegen ist – Ergebnis der Abführung ihrer Einnahmen an den Präsidenten. Zur Deckung der laufenden Gehaltskosten mußte sie sich 1998 3,2 Millionen Dollar von der Zentralbank borgen. Wie ein einstiges Mitglied des kongolesischen Unternehmerverbandes berichtet, versuchte Kabila in der zweiten Jahreshälfte 1998, zusätzlich 15 Millionen Dollar aus der Miba herauszuholen. Weigere sie sich – so drohte er der belgischen Firma Sibeka, die zu 20 Prozent an der Miba beteiligt ist –, werde ein Teil des 80prozentigen Staatsanteils an Namibia verkauft, eines der Länder, das Kabila militärisch unterstützt. Die Sibeka droht nun, dagegen zu klagen.

Trotz all dieser Anstrengungen sucht Kongos Präsident ständig neue Geldquellen. Nach Berichten aus Diplomatenkreisen steht Kabila in Verhandlungen mit Tropenholzgesellschaften aus Malaysia, Ägypten und Argentinien, denen er Konzessionen im kongolesischen Regenwald verkaufen will. Und am 8. Januar ließ Kabila alle Dollartransaktionen verbieten – der US-Dollar stellt 80 Prozent der kongolesischen Geldmenge dar und ist damit die inoffizielle Hauptwährung des Landes. Zugleich verkündete Kabila die Gründung einer staatlichen Mineralienbörse, über die alle Gold- und Diamantenverkäufe in Zukunft laufen sollen. Chef der Börse soll der israelische Diamantenhändler Remi Golan werden, der schon zu Mobutu-Zeiten durch korrupte Geschäfte im damaligen Zaire auffiel. Zusammengenommen bedeuten die beiden Dekrete eine Kampfansage an den freien Außenhandel und die Konzentration aller Mineraliengeschäfte in den Händen des Staates. François Misser, Brüssel