Kein Konsens mit Atomprofiteuren

betr.: „Kein Kniefall der Politik“ (Der Preis des Ausstiegs im Konsens), taz vom 28.1.99

In einer Wirtschafts-und Rechtsordnung, in der Gesetze es erlauben, Verträge für Uran-Raubbau, Atommüllproduktion ohne Endlagermöglichkeit und Wiederaufarbeitung/samt Plutoniumwirtschaft abzuschließen, also legal die Zerstörung von Lebensgrundlagen abzusichern, ist es aus der Perspektive der Profitmaximierung konsequent, wenn die Fortsetzung solcher Umweltverbrechen für Vertragstreue gehalten oder gar als geltendes Völkerrecht verteidigt wird und obendrein die Ratifizierung durch das Parlament umgangen wurde. Diese Art der „Vertragstreue“ wird vehement von den Fraktionen CDU/ CSU und FDP im Bundestag vertreten.

Wir leben in einer Wirtschafts- und Rechtsordnung, in der nicht das Primat der politischen Verantwortung gilt, sondern das Primat der von Wirtschaftsinteressen/Profitmaximierung gesteuerten Politik, die so zum Dienstleister für Konzerne wird. Deswegen fällt es einem Atomboß wie Manfred Timm so leicht, das Primat der (so gearteten) Politik anzuerkennen, andernfalls hätten die Konsensgespräche schon ein Ende. Wie sagte er doch? Das Beharren auf dem Wiederaufarbeitungs-Verbot ab 2000 wäre ein „absoluter K.-o.-Punkt“ für den Konsens gewesen. Weil nun die Konsensverhandlungen auf ein atomkonzernverträgliches Auslaufmodell zusteuern mit der skrupellosen Fortsetzung von Umweltverbrechen und GAU-Risiko – für jedes Akw so lange Wiederaufarbeitung, bis dort ein Zwischenlager gebaut ist, Restlaufzeiten entsprechend dem technischen Alter ohne Endlagermöglichkeit –, gibt es für die Anti-Atombewegung keinen Konsens mit Atomprofiteuren.

Kanzler Schröder sieht seine Aufgabe weiter darin, „zwischen dem Wünschenswerten und dem Machbaren zu vermitteln.“ Was allerdings „das Machbare“ ist und wer dies definieren darf, bestimmt allein die Profitraison. Die Kanzler-Politik (Abkanzeln der Grünen wie schon unter Schwarz-Gelb) ist der beste Dientleister der Konzerne, anstatt vorrangig „Schutzinstanz“ für Menschenrechte und Menschheitserbe zu sein.

Atomkraftgegnerinnen und Atomkraftgegner beugen sich der Definition „des Machbaren“ durch die Stromkonzerne und ihre Dienstleister nicht. Wer atomare Umweltverbrechen nicht verlängern will , muß die Konsequenz des Sofortausstiegs ziehen, das heißt alle Anstrengungen auf Atommüllvermeidung und Energiewende konzentrieren, anstatt sich von der Atomlobby mit „Sachzwängen“ einnebeln zu lassen. Ilona Joerden

betr.: „Der WAAhnsinn darf doch weitergehen“, taz vom 27.1.99

[...] Leider werden die „wahren“ Gründe, warum Deutschland aus der Wiederaufbereitung und der Kernkraft nicht aussteigen kann beziehungsweise warum die SPD und die Energie(mafia)bosse es nicht wollen, von eben diesen Leuten nicht gerne genannt. Beim generellen Ausstieg geht es um Geld, viel Geld, bei der Wiederaufbereitung um den verschleiernd genannten „Entsorgungsnachweis“.

1. Zum Ausstieg und dem Geld: Eine SPD-Politikerin aus NRW sagte in einer ZDF-Live-Sondersendung, daß der Ausstieg noch mindestens 20 Jahre dauert, weil die Politiker genau diesen sorgfältig managen müßten – und das dauert halt so lang! Für wie dumm halten diese Frau und die SPD uns eigentlich? Und wieviel Geld soll das eigentlich kosten? 20 Jahre vom Steuerzahler subventionierte Kernkraft und bezahlte Castortransporte von A nach B, dann von B nach C, 20 Jahre lang Störfälle und Risiken, die die Bevölkerung letztens bezahlen muß, 20 Jahre vertane Zeit und fehlendes Geld für saubere, alternative Stromversorgung und obendrauf noch 20 Jahre aus öffentlichen Kassen bezahlte, unfähige Politiker, die so lange brauchen, den Ausstieg zu managen? Und das, obwohl sich alle einig sind, daß wir aus stromversorgungstechnischer Sicht sofort aussteigen könnten? Warum sagen Herr Schröder und Herr Trittin nicht ehrlich, daß nicht sie, sondern die Strommafia in Deutschland die Wirtschafts- und Umweltpolitik bestimmen? [...]

2. Zur „Entsorgung“: Für die deutschen Stromversorger gilt die Formel „Aus den Augen, aus dem Sinn = ohne Sorge“ (= „ent“sorgt). Zu dumm, daß das strahlende, hochgiftige Zeug aus den WAAs, den „Entsorgungsnachweisen“, Halbwertszeiten von über 24.000 Jahren hat und die Menschen sich auch so lange damit rumärgern werden und dafür verantwortlich sind. [...] Da wir in den kommenden 20 Jahren das viele Geld für andere Dinge brauchen werden und die Menschen nach der nächsten Eiszeit sich ganz bestimmt mit anderen Dingen beschäftigen möchten als mit unserem Müll, gehören die Stromproduktion in AKWs und die Wiederaufbereitung auf dem schnellsten Weg sofort verboten. Till Meinrenken, Osnabrück

betr.: „Wir im Wendland machen keine Vorschläge“,

taz vom 27.1.99

[...] Der Bericht über dieses Interview ist unseriös und begleitet von persönlicher Beleidigung und Unernsthaftigkeit. Wir hatten keine „verkleckerten Wolljacken“ an und wir haben uns nicht „vor der idyllischen Fachwerkkulisse... abfilmen lassen“, sondern wir leben hier. Auch geht es uns nicht „um die Reinhaltung der Heimaterde“, sondern um den Ausstieg aus dieser Technologie weltweit.

Wir haben Frau von Bullion in einem langen Gespräch unsere Argumente dargelegt, warum wir weiterhin gegen Atommüll-Transporte protestieren werden, daß wir den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie fordern, und das nicht erst seit heute, daß wir ein Energiekonzept über regenerierbare Energien fordern, und das nicht erst seit heute. Wir haben gesagt, daß es nie ein sicheres Endlager geben wird, wobei der Schwerpunkt auf „sicher“ liegt. Wir haben gesagt, daß wir nicht sagen können, wir hätten nichts gewußt, daß riesige Mengen Atommüll produziert werden, den wir späteren Generationen überlassen und der Tausende Jahre radioaktive Strahlung verursacht. Wenn Frau von Bullion immer wieder hartnäckig feststellt, daß der Müll doch irgendwohin müsse und damit an uns die Frage verbindet, was wir denn vorschlagen, so haben wir keine Lösung für dieses Dilemma, das wir nicht verursacht haben. [...] Lucia Wente, Bülitz

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