"Sauberer Strom im schmutzigen See"

■ Interview mit Michael Sladek, Elektrizitätswerke Schönau GmbH: "Die Alternative zur atomaren und fossilen Energiewirtschaft ist die dezentrale Energiewirtschaft." Eine Kombination aus BHKW und regenerat

taz: Die EWS verkaufen bundesweit Ökostrom. Wie sieht das Konzept des Schönauer „Watt Ihr Volt Investstroms“ aus?

Michael Sladek: Uns geht es darum, mit dem Angebot möglichst effektiv eine Steigerung der Ökostromproduktion herbeiführen. Konkret: Bei uns fließen die Einnahmen aus dem Ökostromverkauf in Form verbesserter Einspeisevergütungen ausschließlich in Neuinvestitionen dezentraler Ökokraftwerke. Wir haben schon heute in vielen Städten über ganz Deutschland verteilt Kunden unseres Investstroms, die durch ihren Ökostromkauf dazu beitragen, daß immer mehr Anlagen ans Netz gehen und wirtschaftlich betrieben werden können. Dabei fördern wir vorrangig dort Anlagen, wo auch viel „Watt Ihr Volt“ gekauft wird – so entstehen bundesweit neue Anlagen.

Wie setzt sich Ihr „grüner Strom“ zusammen?

Ungefähr zu zwei Dritteln aus regenerativem Strom und zu einem Drittel aus Strom von Blockheizkraftwerken. BHKW sind ein wichtiger Bestandteil eines Atomausstiegskonzepts und auch für die Verminderung des CO2-Ausstoßes, weil sie mit einem verhältnismäßig geringen Kapitaleinsatz viel Strom erzeugen und viel CO2 einsparen. Sie sind neben den regenerativen Energien und natürlich der Energieeinsparung eine der drei Säulen einer dezentralen ökologischen Energiewirtschaft.

Läßt sich „Strom made in Schönau“ überhaupt bundesweit vermarkten?

Aber sicher! Wir haben mit einem geringen finanziellen Werbeaufwand schon weit über eine Million Kilowattstunden bundesweit verkauft. Wir führen diesen Erfolg auf unsere Glaubwürdigkeit und Effektivität zurück. Außerdem sagen wir unseren Kunden auf den Pfennig genau, wie die eingenommenen Gelder verwendet werden, wie gefördert wird und wie hoch unsere Kosten sind. Das von uns entwickelte Modell ohne Durchleitung kann zudem von keinem Energieversorger behindert werden und ist deshalb sofort und überall umsetzbar.

Wenn jemand Watt-Ihr Volt- Strom beziehen will, wie sieht das in der Praxis aus?

Das Verfahren ist denkbar einfach: Der Kunde schließt mit uns einen Zusatzvertrag und bezahlt die Mehrkosten für den Ökostrom einmal jährlich an uns. Wir garantieren dem Kunden, daß die von ihm bezahlte Kilowattstundenzahl als Ökostrom erzeugt wird. Einmal im Jahr erhält er von uns eine genaue Aufstellung, wo der Strom erzeugt wurde und wieviel neue Anlagen ans Netz gegangen sind. Außerdem kann der Kunde Einsicht in die Abrechnungsunterlagen der Elektrizitätswerke Schönau nehmen.

Die individuelle Durchleitung sauberen Stroms ist praktisch nicht möglich. Worin unterscheidet sich das Schönauer Angebot zu herkömmlichen „grünen Tarifen“ der Energieversorger?

Es gibt einen ganz wichtigen Unterschied: Bei den „grünen Tarifen“ der Energieversorger wird das zusätzlich eingenommene Geld in deren „eigene Tasche“ gewirtschaftet, das heißt, sie finanzieren damit eigene Anlagen. Anders bei der EWS: Wir haben überhaupt keine eigenen Energieerzeugungsanlagen, sondern fördern dezentrale Anlagen Dritter und hier nur Neuanlagen. Auf diese Weise entstehen Aktivitäten für die Ökostromproduktion, die sonst vielleicht nicht stattfinden würden: Bürger planen Gemeinschaftsphotovoltaikanlagen oder suchen Standorte für BHKW. Wir fördern genau das, was für ein breites Umsteuern in der Energiewirtschaft – abgesehen von den richtigen Rahmenbedingungen – am wichtigsten ist: nämlich das Engagement und das Verantwortungsbewußtsein der Bürger, wobei sowohl der Käufer als auch der Produzent ein Teil dieses Prozesses sind. Und wir tun dies glaubwürdig im Unterschied zu vielen großen Energieversorgern, die auf der einen Seite zum Beispiel das Stromeinspeisungsgesetz bekämpfen oder ihre Atomstromproduktion erhöhen und auf der anderen Seite den Ökostromhandel als „Umweltschutz-Deckmantel“ nutzen.

Läßt sich über dieses „virtuelle Stromnetz“ eine Verbesserung der Gesamtstromqualität erreichen?

Dadurch, daß bei uns nicht Ökostrom aus bereits bestehenden Anlagen einfach teurer verkauft wird, sondern ausschließlich Neuanlagen gefördert werden, gibt es einen tatsächlichen Zuwachs an sauberem Strom. Bildlich könnte man sich das etwa so vorstellen: Wenn in den großen „schmutzigen Stromsee“ an vielen verschiedenen Stellen immer mehr „saubere Quellen“ fließen und die Gesamtmenge gleich bleibt, wird der „Stromsee“ insgesamt immer sauberer, die Qualität verbessert sich ständig. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, wo der Ökostrom erzeugt wird, es ist nur wichtig, daß er erzeugt wird.

Ist mit Ihrem Modell langfristig eine atomfreie Stromversorgung realisierbar?

Die Alternative zur heutigen zentralen atomaren und fossilen Energiewirtschaft ist die dezentrale Energiewirtschaft, denn die Sonne scheint nun mal überall, wie auch Wasser und Wind nicht zentral anfallen, sondern an vielen Orten in ganz Deutschland genutzt werden können. Auch die Blockheizkraftwerke sind eine dezentrale Technologie, die überall einsetzbar ist. Die Kombination von regenerativen Energien und BHKW kann ohne weiteres den Atomstromanteil ersetzen. Auf diesem Weg der Veränderung von zentralen in dezentrale Strukturen ist das Watt-Ihr-Volt-Modell sehr wichtig, weil durch die freiwilligen Mehrzahlungen engagierter Stromverbraucher Veränderungsprozesse ins Laufen gebracht werden. Dabei unterstützen die engagierten Kunden auch diejenigen Politiker, die den Ausstieg wirklich wollen und für die notwendigen Rahmenbedingungen kämpfen. Interview: Michael Franken