Dresdner Bank verdiente an Raubgold

Hannah-Arendt-Institut legt Studie über die Verstrickung der Bank beim Handel mit geraubtem Gold jüdischer NS-Opfer vor. Die Banker räumen daraufhin Beziehungen von Führungskräften zu Nazis ein  ■ Aus Dresden Christian Semler

Lange sah es so aus, als würde sich die Dresdner Bank, Deutschlands zweitgrößtes Kreditinstitut, ihrer Vergangenheit während des Dritten Reiches umstandslos entledigen. Dann schwappten die Wellen, die die Enthüllungen um Raubgold und nachrichtenlose Konten in der Schweiz aufgerührt hatten, auch an die Mauern der scheinbar unberührbaren Kreditfestung. Anläßlich der 125-Jahr- Feier der Dresdner Bank im Sommer 1997 wurden scharfe Töne laut, die die Amnesie bezüglich der Zeit von 1933 bis 1945 kritisierten. Schließlich gerieten die Dresdner in Zugzwang, denn der Hauptkonkurrent, die Deutsche Bank, öffnete seine Archive und ließ unabhängige Historiker ihres Amtes walten. In deren Bericht wurde mit Kritik an den Bankern und ihrem Papst Hermann-Josef Abs nicht gespart.

Im Fall der Dresdner Bank erhielt das Hannah-Arendt-Institut in Dresden den Zuschlag. Den Wissenschaftlern wurden vollständige Unabhängigkeit, rückhaltlose Akteneinsicht und relativ großzügige Finanzierung zugesagt. Der Forschungsauftrag ist umfassend, er umgreift die Tätigkeiten der Bank von 1931 bis 1957. Die Arbeit von Johannes Bahr über den Goldhandel der Dresdner Bank während des Zweiten Weltkriegs, gestern vorgestellt in der TU Dresden, ist ein erster Baustein eines ehrgeizigen Unternehmens. Bald wird eine weitere Studie folgen, die zeigt, wie die Bank sich ihrer jüdischen Mitarbeiter entledigte.

Bahrs Studie kann auf ziemlich lückenlosen Archivmaterialen der Bank in Frankfurt/Main und Berlin aufbauen. Im Ergebnis zeigt sich, daß der Goldhandel der Dresdner Bank im Vergleich zu den Transaktionen der Reichsbank relativ unerheblich war. Sogar die Deutsche Bank, die den Nazis nicht ganz so nahe stand wie die Dresdner Kollegen, weist einen höheren Umsatz im Goldhandel auf. Von den 5.762 Kilo Feingold, die die Dresdner erwarb, stammte der größte Teil aus den geplünderten Goldreserven der holländischen und belgischen Staatsbank: Maximal 325 Kilo sind Opfergold, also jüdischen KZ-Opfern geraubtes Gold, einschließlich Zahngold.

Der Modus operandi war im Fall der Deutschen Bank und der Dresdner Bank ganz ähnlich. In beiden Fällen wurde das Gold in der Türkei, wo die Marktpreise noch höher waren als in der Schweiz, an Private verscherbelt. Als Mittelsmänner wie als Käufer traten beispielsweise Diplomaten in Erscheinung. Auch deutsche Geheimdienstleute waren mit von der Partie. Ihre Gewinne aus dem Goldgeschäft transferierte die Dresdner Bank nach Wien und legte sie wiederum in Gold an.

Dummerweise war nach Kriegsende ein Goldbatzen der Dresdner Bank in der Türkei hängen geblieben. Die Türken weigerten sich, das Gold an die Tripartite-Commission in Washington auszuhändigen, die vor allem die Ansprüche der geplünderten Nationalbanken beglich. Mitte der 60er wurde unter der tätigen Beihilfe mehrerer Bonner Ministerien ein Teil des „Restgoldes“, nämlich Goldmünzen, nach Deutschland transferiert und anschließend in der Schweiz verkauft. Natürlich war den Dresdner Nachkriegsbankern bekannt, woher die Münzen stammten, und auch die Bundesregierung als Hilfsschmuggelorgan wird wohl kaum gänzlich ignorant hinsichtlich ihres Ursprungs gewesen sein.

Was wußten die Banker? Der Ursprung des Goldes, das aus den Zentralbanken der besetzten Länder kam, war ihnen natürlich bekannt. Was das Gold der KZ-Opfer anbelangt, läßt sich kein triftiger Beweis für die Kenntnis der Banker finden, aber, wie Johannes Bahr gestern feststellte, die enge Verbindung einer Reihe von Vorständlern zur SS läßt einige Vermutungen zu. So kann die gestrige Erklärung der Dresdner Bank nicht überraschen. Die Bank räumt darin Beziehungen von Führungskräften zum NS-Regime ein. „Manche Führungskräfte der damaligen Dresdner Bank haben sich vom NS-Regime benutzen lassen“, so Vorstandssprecher Bernhard Walter. Die Studie des Hannah- Arendt-Instituts hätte aber weder konkrete Beweise noch entlastendes Material gefunden, daß einzelne Vorstandsmitglieder die Herkunft des Goldes kannten. Und dann atmen die Banker hörbar auf: Damit sei die Verstrickung der Dresdner Bank in den Handel mit NS-Opfergold nach wie vor nicht endgültig geklärt.