Keine Strafe für Zeitungsverkäufer

■ Bahn zieht Anzeige gegen einen Verkäufer der „Strassenzeitung“ zurück. Justizsenator Erhart Körting hatte Vermittlung angeboten

Im Prozeß der Deutschen Bahn AG gegen einen Verkäufer des Obdachlosenmagazins Strassenzeitung ist es offenbar zu einer Einigung gekommen. Nach Angaben von Stefan Schneider habe die Bahn AG am Freitag abend die Anzeigen gegen den Verkäufer Konrad G. zurückgezogen. Schneider ist einer der beiden Vorsitzenden von „mob e.V.“, dem Trägerverein der Strassenzeitung. Der Angeklagte G. steht derzeit vor Gericht, weil er durch den Verkauf der Zeitung 49fachen Hausfriedensbruch am Bahnhof Zoologischer Garten begangen haben soll. Morgen sollte ursprünglich die Urteilsverkündung sein. Die Deutsche Bahn AG war gestern zu keiner Stellungnahme zu ereichen. „Das ist natürlich erst einmal nur eine individuelle Lösung“, sagte Schneider zur taz. Die Rücknahme der Anzeigen bedeute nicht, daß die Deutsche Bahn AG grundsätzlich den Verkauf von Obdachlosenzeitungen auf ihren Bahnhöfen billige. Er hoffe deshalb auf ein baldiges klärendes Gespräch mit der Bahn AG.

Schneider kann dabei auch mit Unterstützung von Justizsenator Ehrhart Körting (SPD) rechnen. In der Abgeordnetenhaussitzung am vergangenen Donnerstag hatte Körting auf Anfrage des grünen sozialpolitischen Sprechers Michael Haberkorn erklärt, daß er den Verkauf der Strassenzeitung persönlich für eine wichtige Selbsthilfemaßnahme halte. Gebe es keine Einigung zwischen der Bahn AG und der Strassenzeitung über den künftigen Verkauf, könne seine Verwaltung vermitteln.

Das Selbsthilfeprojekt Strassenzeitung erscheint in einer Auflage von 28.000 Exemplaren. Mit dem Verkauf verdienen sich rund 80 Obdachlose ihren Lebensunterhalt. Julia Naumann