Mehr Demokratie an Bremer Hochschulen

Debatte: Warum ein neues Hochschulgesetz? Der Reformentwurf der Großen Bremer Koalition greift zu kurz, meint der grüne Bürgerschaftsabgeordnete  ■ Hermann
Kuhn

Eine Übereinstimmung gibt es tatsächlich in den Entwürfen der Koalition und der Bündnisgrünen zum Bremischen Hochschulgesetz: Der Staat soll weniger in die Hochschulen hineinverwalten, die Hochschulen sollen mehr Rechte zur Selbstverwaltung bekommen: Personalwirtschaft, Abwicklung des Globalhaushalts, Verwaltung der Gebäude, Genehmigung von Prüfungsordnungen. Aber schon hier geht der Koalitionsentwurf nicht weit genug: Freigabe von Professorenstellen will sich die Koalition als Feineinmischung der Wissenschaftsbehörde vorbehalten.

Aber mit der allgemeinen Absicht der Entstaatlichung endet die Gemeinsamkeit auch schon. Denn der Entwurf von SPD und CDU stärkt nicht die Autonomie und die Gestaltungsmöglichkeiten der Hochschulen insgesamt, sondern die des Rektors. Allerdings: Neue Aufgaben erfordern starke Organe. Aber bitte nicht nur auf der einen Seite ein Rektorat zur besseren Organisation der Wissenschaftsverwaltung, sondern auf der anderen Seite auch einen starken Akademischen Senat als Legislative. Mit dem Recht, das Rektorat zu wählen, grundsätzliche Fragen zu beschließen – inkl. Haushaltsaufstellung – und mit starken Kontrollrechten einschließlich einer realistischen Abwahlmöglichkeit des Rektorats. Dies sieht der Entwurf von Bündnis 90/Die Grünen vor, der Koalitionsentwurf nicht.

Zweitens: Ohne Grund wird die Zahl der Professoren im Akademischen Senat erhöht, soll auch im Fachbereichsrat der Dekan nur von einer Mehrheit der Professoren gewählt werden. Die rechtlich gegebene Möglichkeit, die Hochschulleitung von einem etwa viertelparitätisch zusammengesetzten Wahlkörper wählen zu lassen, nutzt die große Koalition nicht. Sie begreift überhaupt nicht, daß demokratische Legitimation und Mitwirkungsmöglichkeiten enorme Kräfte mobilisieren können, die von den Hochschulen erwartet werden.

Drittens: Die Schlagseite zwischen der Exekutive und der Legislative wiederholt sich auf der Ebene der Fachbereiche, hier kommt im Koalitionsentwurf ein schwerwiegender Fehler hinzu: Die Studiengangs-/Fachkommissionen werden nicht mehr geregelt, damit hängen die entscheidenden Orte der fachlichen Debatte und Mitwirkung für die Studierenden in der Luft. Unser Entwurf sieht dagegen vor, den Kommissionen Entscheidungsrechte auf Fachebene zu übertragen und Studierenden die Hälfte der Stimmen einzuräumen.

Auch in Fragen der Studienreform kommt der Entwurf der Koalition daher mit dem Gestus der Modernität. Sieht man sich die Umsetzung an, ändert sich das Bild schnell. Die Einführung neuer Abschlüsse wie Bachelor und Master halten auch wir für sinnvoll, um den Studierenden mehr anbieten zu können. Wer aber wie die Koalition dem Bachelor-Abschluß dann den Zusatz (FH) und (Uni) anhängen will, der sollte lieber gleich die Finger davon lassen. Alle anderen Vorschläge zum Studium kranken an dem grundsätzlichen Irrtum konservativer Hochschulpolitik: Da es in erster Linie darauf ankomme, schneller zu studieren und da hierfür Druck auf die Studis ausgeübt werden müsse: Regelstudienzeiten, Zwangsberatung nach dem ersten Jahr, Zwangsberatung nach überschreiten der Regelstudienzeit mit Androhung der Exmatrikulation heißen die einschlägigen Ladenhüter. Wichtig wäre stattdessen, daß Regelstudienzeiten als Verpflichtung der Hochschulen begriffen werden, ein Studium in dieser Zeit möglich zu machen und daß die Hochschulen aber auch wissen, daß sie sich angesichts wachsender Erwerbstätigkeit auf „Teilzeitstudierende“ einstellen müssen.

Noch enttäuschender ist die Koalition in der Frage der Frauenförderung. Zwar wird diese als Kriterium der Leistungsbeurteilung (und der Mittelzuteilung) festgeschrieben; aber in gleichem Atemzug sollen die – zusätzlichen – Frauenbeauftragten für die besonderen Probleme des wissenschaftlichen Personals abgeschafft werden, die Informations- und Zugangsrechte der Frauenbeauftragten eingeschränkt werden. Schöner kann die Koalition es nicht sagen, daß sie in Worten die Frauenförderung hochhalten, aber in Taten die Machtmittel und Kompetenzen zur praktischen Umsetzung beschneiden will.

Ein Wort noch zu Studiengebühren. Der Koalitions-Entwurf sieht vor, daß für das „Erststudium“ keine Studiengebühren erhoben werden, wohl aber für „postgraduale“ Studiengänge und für Zweitstudien. Sie wollen offensichtlich unbedingt einen Fuß in die Tür der Studiengebühren bekommen; denn einen praktischen Sinn machen Studiengebühren für postgraduale Studiengänge nicht – wie sollen sie denn sauber von Erststudien abgegrenzt werden? – und vor allem: Sie sind extrem innovationshemmend, denn neue Studiengänge, interdisziplinäre Neuerungen, haben sich in der Vergangenheit immer dort entwickelt, wo einzelne über das „Normale“ hinaus studiert haben. Und das sollen wir mit Gebühren belegen? Die Bündnisgrünen sagen: Nein. Die Anhörungen der letzten Woche haben gezeigt, daß diese Kritik von vielen geteilt wird und daß Druck auf die Koalition notwendig ist. Zu Resignation kein Anlaß. Richtig ist allerdings: Mit den Bündnisgrünen wird die Hochschulverfassung anders aussehen.