Polens Bauern lassen es jetzt drauf ankommen

■ Landwirte drohen mit einer Ausweitung der Proteste. Regierung zeigt sich unnachgiebig

Warschau (taz) – Die polnischen Bauern gehen aufs Ganze: Nach tagelangen Straßenblockaden wollen sie ihre Aktionen ausweiten und in den kommenden Tagen landesweit den Verkehr lahmlegen. Möglicherweise schließen sich den bereits seit einer Woche protestierenden Landwirten auch andere Berufsgruppen an. Andrzej Lepper, Führer der radikalen Bauernorganisation „Samoobrona“ (Selbstverteidigung), versucht die Bergleute und Stahlkocher zum solidarischen Protest zu bewegen. „Das ist der Beginn eines Aufstands“, warnt er die Regierung. Falls sie den Forderungen der Bauern nach einem Schutz vor Billigimporten aus EU-Ländern, nach höheren Subventionen für eigene Agrarprodukte und Schuldenerlaß für die Bauern nicht nachkomme, werde er die Regierung stürzen.

Die Bauernpartei (PSL) wirft Finanzminister Leszek Balcerowicz vor, mit der Liberalisierung des Lebensmittelmarktes „das Fiasko auf dem Lande“ ausgelöst zu haben. Sie will im Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus, ein Mißtrauensvotum gegen ihn einbringen. Bei Redaktionsschluß verhandelten sowohl die Bauernorganisationen untereinander als auch die Regierung noch über das weitere Vorgehen. Darüber sollte gestern bis zum späten Abend entschieden werden.

Regierungssprecher Jaroslaw Sellin kündigte aber bereits an, daß die Regierung sich von dem radikalen Bauernführer Lepper nicht provozieren lasse oder auch bei einer Eskalation der Proteste von ihrer Haltung nicht abrücken werde. Lepper hatte von den „Banditen“ in Warschau gefordert, den Straßenblockierern Straffreiheit zuzusichern, da es nicht demokratisch sei, mit Wasserwerfern gegen Demonstranten vorzugehen. Auch in den Krankenhäusern spitzt sich die Situation zu. Vergangene Woche streikten die Krankenschwestern, jetzt sind es wieder die Narkoseärzte. Operiert werden nur noch schwere Unfallopfer und lebensgefährlich Kranke. Die Proteste und Warnstreiks im Gesundheitswesen ziehen sich bereits über ein Jahr hin. Die Forderungen nach Lohnerhöhungen wurden bislang mit Hinweis auf das Sparbudget der Regierung zurückgewiesen. Jetzt drohen Ärzte und Krankenschwestern mit einem Generalstreik. Gabriele Lesser