„Wir sind nicht Fischers Filiale“

■ Der Generalsekretär von amnesty international, Volkmar Deile, beharrt auf der Unabhängigkeit seiner Organisation. Harte Forderungen an China

taz: Steht in Ihrem Büro schon ein rotes Telefon für den Kontakt zu Joschka Fischer ins Auswärtige Amt?

Volkmar Deile: Wir sind keine Filiale des Auswärtigen Amtes (AA). Wir stellen unsere Forderungen als unabhängige Organisation und kritisches Gegenüber der Politik.

Was hat sich seit Fischers Amtsübernahme verändert?

Ein ordentlicher Menschenrechtsausschuß im Bundestag ist geschaffen, ein Menschenrechtsbeauftragter des Auswärtigen Amtes arbeitet, und die Koalition hat die Absicht bekundet, ein unabhängiges Menschenrechtsinstitut zu schaffen. Im Ganzen ist die Politik offener gegenüber Nichtregierungsorganisationen geworden. Aber die Frage, ob sie unsere Forderungen auch umsetzen, ist schwer zu beantworten. Es fehlt an Transparenz. Eine substantielle Besserung war das offizielle Gespräch mit dem chinesischen Bürgerrechtler Wei Jing Sheng im Auswärtigen Amt.

Glauben Sie, daß die neue Regierung die Asyl- und Flüchtlingsfragen mit anderen Augen sieht?

Es ist wichtig, daß die Frage von Flucht und Asyl auch als außenpolitisches Thema gesehen wird. Hier zeigt die Bundesregierung zuwenig Bewegung. Die Bekämpfung von Fluchtursachen würde verhindern helfen, daß wir so viele Flüchtlinge auf diesem Globus haben, die dann auch – allerdings zu einem geringen Teil – nach Europa kommen. Diejenigen, die kommen, brauchen sicheren Rechtsschutz und dürfen nicht in eine Gefahr für Leib und Leben abgeschoben werden.

Altkanzler Kohl war für seine Wirtschaftsinteressen bekannt. Auch Schröder gilt als Mann der Wirtschaft. Wird es in Zukunft einfach nur umgekehrt laufen – also erst die Moral, dann das Fressen?

Wenn die alte Regierung nach Menschenrechten gefragt wurde, hat sie sich auf den heidnischen Glauben herausgeredet, daß Handel zu Wandel führe. Die neuerlichen Verhaftungen in China zeigen, daß das nicht der Fall ist. Die Reise des Kanzlers nach China wird zeigen, ob die Menschenrechte weiter nur eine nachgeordnete Rolle spielen werden. Die Reise findet drei Wochen vor dem zehnten Jahrestag des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens statt. Wir werden daran erinnern und erwarten deutliche Worte von den deutschen Politikern.

Werden Sie Schröder eine Liste politischer Gefangener mitgeben?

Ganz gewiß werden wir den Politikern auch Einzelfälle mitgeben. Zu unseren Anliegen gehört zum Beispiel die Rehabilitierung der Opfer des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens.

Wenn Joschka Fischer eine Zauberfee wäre und Sie drei Wünsche frei hätten, was könnte er für Sie tun?

Das Auswärtige Amt ist keine gute Fee. Deswegen haben wir nicht drei Wünsche, sondern jede Menge Forderungen. Erstens: Jede Menschenrechtsverletzung sollte von der Politik ernst genommen werden. Zweitens: Wir wollen größere Transparenz. Drittens: Die Bundesregierung sollte die USA dazu bewegen, ihre aggressive Opposition gegen den internationalen Strafgerichtshof und die Praxis der Todesstrafe aufzugeben.