Diplomatie für Verfolgte

Wie UNO-Flüchtlingskommissarin Ogata es bei ihrem Besuch in Bonn anstellte, nett zu Außenminister Fischer zu sein – und ihm doch die Meinung sagte  ■ Aus Berlin Patrik Schwarz

Die Besucherin wußte, was Joschka Fischer von ihr erwartete. Nur Freundlichkeiten kamen UNO-Flüchtlingskommissarin Sadako Ogata über die Lippen, als der Bundesaußenminister mit ihr vor die Mikrofone der Bundespressekonferenz trat. In der Welt der internationalen Politik gilt es als unfein, dem Gesprächspartner öffentlich die Meinung zu sagen. Doch weil die Japanerin nicht nur die diplomatische Etikette beherrscht, sondern zugleich leidenschaftlich für Verfolgte eintritt, hatte sie trotzdem einen Weg gefunden, die neue Bundesregierung unverblümt zu einer humaneren Flüchtlingspolitik aufzufordern.

In seinem Pressespiegel fand Joschka Fischer heute morgen einen Gastbeitrag Ogatas für die Süddeutsche Zeitung. Vor den Augen der Welt ereigneten sich „ungeheure Flüchtlingstragödien“, doch die Öffentlichkeit wendet sich nach Ogatas Ansicht ab: „Ich fürchte, am Schicksal dieser Menschen wird immer weniger Anteil genommen. Die Folge: Die europäische Asylpolitik wird zunehmend gleichgesetzt mit den Begriffen Einwanderungskontrolle und innere Sicherheit.“ Ausdrücklich kritisiert die UNO-Kommissarin die EU-Maßnahmen gegen illegale Einwanderung: „Die Gewinner sind in erster Linie die Schlepper.“

Ogata greift außerdem direkt eine Besonderheit des bundesdeutschen Asylrechts an. Demnach gelten nur Opfer staatlich organisierter Übergriffe als politisch verfolgt. Die UNO-Vertreterin verweist auf die zahlreichen Opfer von nichtstaatlichen Gruppen, etwa in Bürgerkriegen, und nennt es „kaum nachzuvollziehen, daß ihnen aus formalrechtlichen Gründen automatisch die Asylberechtigung verweigert wird“. Der Menschenrechtsbeauftragte im Auswärtigen Amt, der Grünen-Politiker Gerd Poppe, unterstützte gegenüber der taz Ogatas Position: „Der Flüchtlingsbegriff wird in der Tat zu restriktiv gehandhabt.“ Poppes Fazit zu Ogatas Besuch: „Sie hat mir aus dem Herzen gesprochen.“